25.07.2009


Klett bläst zum Angriff auf Duden

Pons-Wörterbuch frei im Netz

Im Mai erst hat Philipp Haußmann den Posten als Vorstandschef der Ernst Klett AG übernommen, und schon kommt der erste Paukenschlag. Am kommenden Montag bringt Klett die deutsche Rechtschreibung ins Internet, gratis. Für das was er tut, findet Haußmann, 43 Jahre alt, Mitglied der Eigentümerfamilie in vierter Generation, Jurist und Romanist, gewählte Worte: „Das ist ein Paradigmenwechsel.“

Tatsächlich ist es ein Angriff, und zwar gleich in zwei Richtungen: erstens wird sich der Beinahe-Monopolist Duden ganz schnell mit dem neuen Konkurrenten auseinander setzen müssen, der zwar noch nie ein Deutsch-Lexikon herausgebracht hat, mit der Marke „Pons“ bei Fremdsprachen aber einer der großen Anbieter in Europa ist. Und zweitens wird ein Raunen durch die Verlagsbranche gehen: schon wieder ein Dammbruch im Internet, schon wieder Gratis-Inhalte und zwar auf höchstem Niveau.

Bei Duden versucht man, den Affront herunterzuspielen

Bei Duden in Mannheim versucht man, den Affront herunterzuspielen. Der Duden sei doch seit jeher die Instanz für die deutsche Sprache, lautet das Credo. Der Markt scheint das zu bestätigen: Seit wenigen Tagen ist der neue Duden, die 25. Auflage, im Handel erhältlich, und schon ist er in der Bestsellerliste – „und ich wette mit Ihnen, dass er nächste Woche auf Rang 1 bei den Sachbüchern ist“, erklärt der Duden-Sprecher. Der Verlag hat zur Großoffensive geblasen und verkauft nach dem Motto „Der Duden auf alle Rechner“ jetzt das Nachschlagewerk im Kombi-Pack mit einer Korrektursoftware. Mehr als 100.000 solcher Pakete sollen die Buchhändler den Duden-Verlag bis zum Jahresende abnehmen.

Im Vergleich dazu nimmt sich die erste Auflage der deutschen Rechtschreibung Marke Pons ziemlich bescheiden aus: 30.000 Stück. „Wir wollen 10 bis 20 Prozent Marktanteil“, gibt Klett-Chef Philipp Haußmann als Ziel vor, auch für die weiteren deutschen Pons-Nachschlagewerke, die Grammatik und eine Art Stilfibel. Müsste Pons sich im Buchhandel gegen den dominanten Duden durchsetzen, würde es Jahre dauern, bis sich die Investition gelohnt hat, rechnet Haußmann vor. Durch seinen Online-Auftritt werde Pons die Verbraucher schneller erreichen.

„Wir hätten schon vor fünf Jahren gratis online gehen sollen“

„Die Zukunft gehört der Anzeigenfinanzierung im Internet“, glaubt Philipp Haußmann, der vor seiner Berufung an die Klett-Spitze jahrelang für Pons verantwortlich war: „Wir hätten schon vor fünf Jahren gratis online gehen sollen.“ Seit dem Jahr 2001 sei der Umsatz von Pons mit Großwörterbüchern auf ein Achtel zurückgegangen. Nur was Schüler und Touristen ins Handgepäck nehmen, verkauft sich unverändert gut. Die professionellen Nutzer aber seien im Internet, und sie seien attraktive Kunden für die Werbewirtschaft: gebildet und berufstätig.

Pons fängt mit der deutschen Rechtschreibung nicht bei Null an. Seit dem vergangenen Herbst stehen die fremdsprachigen Wörterbücher (www.pons.eu) kostenlos im Netz. Täglich griffen schon 1,25 Millionen Nutzer darauf zu, berichtet Haußmann, und täglich würden es mehr. Die Nutzer sind Pons nicht nur in ihrer Funktion als Konsumenten der Werbung dienlich, sondern auch als kostenlose Mitarbeiter.

Nach dem Muster von Wikipedia arbeiten interessierte Anwender, oft hochqualifiziert, bei der Weiterentwicklung der Wörterbücher mit, wodurch diese Tag für Tag detaillierter werden. Das Werk Russisch-Polnisch startet Pons in diesen Wochen deshalb nur mit einem kleinen Umfang, den Rest überlässt man der Kundschaft. Bei der deutschen Rechtschreibung ist man vorsichtiger: hier gehen Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zuerst durch die Hände einer Redaktion, bevor sie ins Internet gelangen.

Die Elektronik verändert die Verlagswelt

„Die Welt zwischen zwei Buchdeckel zu pressen – das ist ein Gedanke, von dem man sich verabschieden muss“, resümiert Philipp Haußmann, und bezieht das durchaus auch auf andere Bereiche des Konzerns, der immerhin der zweitgrößte Buchverlag Deutschlands ist. Auch Materialien für die Schule sind längst nicht mehr nur gedruckt – alle neuen Schulbücher kommen mit der passenden Software auf den Markt. „Unsere Kunden kriegen das, was sie wollen dort, wo sie gerade sind.“

Auch bei Duden hat man längst gemerkt, dass die Elektronik die Verlagswelt verändert. Den gedruckten Brockhaus hat das Unternehmen schon 2008 eingestellt. Gratis online gehen ist aber etwas anderes: „Qualität muss man nicht verschenken“, sagt der Duden-Sprecher. Wer wolle einzelne Wörter nachschlagen? „Die eigentliche Revolution ist doch die Korrektur. Das ist die Problemlösung.“ Das Programm dafür habe Duden in der Schublade. „Damit wollen wir natürlich Geld verdienen. Aber vielleicht stellen wir auch das eines Tages kostenlos ins Internet.“

Quelle: F.A.Z.
Link: http://tinyurl.com/faz-net-klett-gegen-duden

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