02.03.2006


faz.net

Beschlossen: Die Reform wird reformiert

Die korrigierte Reform der deutschen Rechtschreibung ist unter Dach und Fach. Das teilte die Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag in Berlin mit. Die Regeln sollen zum neuen Schuljahr vom 1. August an umgesetzt werden.

Die Kultusminister stimmte den Änderungsvorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung zu. Die Empfehlungen bildeten eine „gute und tragfähige Grundlage für die Fortentwicklung der Rechtschreibung”, erklärte die KMK. Die Minister hoffen mit den jetzigen Änderungen auf ein Ende des jahrelangen Streits um die Reform. Die Änderungen betreffen Regelungen in der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Groß- und Kleinschreibung, der Zeichensetzung sowie der Worttrennung am Zeilenende.

Die Konferenz der Kultusminister kündigte an, der Bundesregierung und den internationalen Partnern die gemeinsame Übernahme der Empfehlungen vorzuschlagen. KMK-Präsidentin Ute Erdsiek-Rave wurde bevollmächtigt, entsprechende Vereinbarungen zu unterzeichnen.

Wieder einheitliche Regelungen

Die brandenburgische Kultusministerin Johanna Wanka hatte es schon am Morgen als wahrscheinlich bezeichnet, daß die KMK die Vorschläge des extra zu diesem Zweck eingesetzten Rats für deutsche Rechtschreibung annehmen werde. Ein Jahr nach dem ursprünglich angestrebten Termin der verbindlichen Einführung der Reform sollen in allen deutschen Bundesländern wieder einheitliche Regeln gelten - allerdings wiederum mit einjähriger Übergangsfrist für die Änderungen der Änderungen. Die Schüler werden dann wieder neue Regeln pauken müssen - aber in begrenztem Umfang.

Schließlich hat der Rechtschreibrat nur die umstrittensten Punkten geändert. Diese betreffen Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende. So sollen etwa feststehende Begriffe wie „Große Koalition” oder „Gelbe Karte” wieder groß geschrieben werden. Auch das Anredepronomen „Du” im Brief darf wieder groß sein. Möglich sein sollen auch wieder die Schreibweisen eislaufen, kopfstehen, nottun und leidtun, falsch wird dagegen bei Worttrennungen die Abtrennung von Einzelvokalen am Wortanfang oder -ende wie E-sel oder Bi-omüll.

In Bayern und NRW verbindlich

Abzuwarten bleibt, ob der nunmehr bald zehn Jahre währende Streit um die Schreibweisen dann endlich beendet sein wird. Einige der Reformkritiker haben bereits ein Einlenken angekündigt oder zumindest signalisiert: So wollen auch Bayern und Nordrhein-Westfalen die nachgebesserte Reform nun verbindlich einführen. Beide Bundesländer waren im vergangenen August ausgeschert und hatten erklärt, sie wollten erst die Klärung der noch strittigen Schreibweisen abwarten. Vergangene Woche hatte zudem der Axel Springer Verlag mitgeteilt, man prüfe eine Abkehr von der alten Rechtschreibung, zu der der Verlag 2004 zurückgekehrt war. Springer begrüßte ausdrücklich die vom Rat vorgelegten Empfehlungen, nun werde geprüft, ob damit „eine einheitliche reformkonforme Rechtschreibung in den Zeitungen und Zeitschriften sowie den Onlinemedien des Verlages übernommen werden kann”.

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die bereits seit 2000 wieder in bewährter Rechtschreibung schreibt, will die Kompromißvorschläge „sorgfältig prüfen”. Man werde die Beschlüsse der KMK abwarten und dann sehen, wie die neuen Ausgaben der Wörterbücher Duden und Wahrig aussähen, die für den Frühsommer angekündigt seien, sagt der Leiter des Literaturressorts, Hubert Spiegel. „Wir werden sehen, ob sie brauchbarer sind als die letzten Ausgaben und ob es wieder so viele Abweichungen zwischen den Wörterbüchern gibt.” Entschieden sei noch nichts.

„Unaufgeregte Einführung des Kompromisses”

Änderungen stehen aber natürlich auch für diejenigen ins Haus, die die Reform mitmachten. Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen, die auch einen Vertreter in den Rat für deutsche Rechtschreibung entsandten, hatten die Reform zum 1. August 1999 weitestgehend umgesetzt. Nach dem KMK-Beschluß wollen sie nun über die Änderungen beraten und ihre künftigen Schreibweisen festlegen. Einige der Änderungen gehen aber ohnehin in die Richtung der Agenturausnahmen.

Der Dachverband der Schulbuchverlage weist darauf hin, daß keine neue Reform anstehe, sondern lediglich einzelne Änderungen am Regelwerk. „Es wird eine unaufgeregte Einführung des Kompromisses geben”, sagt Sprecher Rino Mikulic. Schulbücher müssen nicht eingestampft und zum 1. August neu aufgelegt werden. Zwar müßten die Sprachbücher „zügig geändert” werden, da aber in den Bundesländern momentan ohnehin einiges an Reformen für den Schulunterricht laufe, seien die Termine neuer Buchauflagen bereits entsprechend kalkuliert, erklärt Mikulic. „Wenn man jetzt auch noch die großen Zeitungsverlage mit ins Bott bekäme, wäre das natürlich gut und der Streit hoffentlich mal beendet.”

Kritik wird nicht verstummen

Auch Ludwig Eichinger vom Rat für deutsche Rechtschreibung hofft, daß nun endlich Ruhe einkehrt. Es sei klar, daß alle, die im Rat mitgearbeitet hätten, sich einem Kompromiß verpflichtet hätten, auch wenn jeder Einzelne dabei Abstriche machen müsse, sagt der Direktor des Instituts für deutsche Sprache. Allerdings kehrte der wohl bekannteste Reformgegner Theodor Ickler, der im Rat mitgearbeitet hatte, diesem vergangene Woche demonstrativ den Rücken und bezeichnete die Korrekturvorschläge als völlig unzureichend. Ickler habe den Kompromißdruck wohl nicht mit sich vereinbaren können, sagt Eichinger.

Auch die anderen in der Forschungsgruppe Deutsche Sprache zusammengeschlossenen Gegner der Reform sehen bei den Korrekturempfehlungen „schwere Mängel”. Und der Deutsche Elternverein forderte die Kultusminister auf, die alte Rechtschreibung an Schulen wieder zuzulassen. Die Kritik an der Reform wird somit wohl auch in Zukunft nicht verstummen.



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