17.12.2005


Theodor Ickler

Fälschung

Hochsymbolisches Unterwerfungssignal

Der im Internet veröffentlichte Text der Revisionsvorlagen stimmt nicht mit der Fassung überein, die den Verbänden zur Stellungnahme zugeschickt worden ist. Während die versandten Vorlagen durchweg „selbständig“ schreiben (wie das Originalregelwerk), hat die Geschäftsführerin in der Internetfassung durchweg „selbstständig“ eingesetzt.
Ich habe diesen Fall bereits unter dem Titel „Putativgehorsam“ abgehandelt. Obwohl diese Schreibweise eigentlich nichts mit der Reform zu tun hat, wird sie doch als hochsymbolisches Signal der Unterwerfung behandelt, und so soll es natürlich auch hier wirken. Dazu paßt, daß in allen Texten des Rates so weit wie möglich Reformschreibung verwendet wird – ein Präjudiz für künftige Verhandlungen, denn wie könnte der Rat eine Schreibweise anfechten, die er selbst ohne Zwang benutzt und also doch wohl richtig findet? Weder und wieder wird der KMK signalisiert: Der Rat kuscht. Die GKS ist „unstrittig“? Aber gewiß doch, nur ein paar kosmetische Verbesserungen sind noch nötig, dann ist alles in Ordnung. Die Laut-Buchstaben-Entsprechungen sind „unstrittig“? Aber ja doch, wir werden diesen Sack nicht aufmachen!

Bemerkenswert ist auch, daß die Reformer und ihre Nachfolger im Rat um keinen Preis zugeben wollen, sich mit dem „leid“ in „leid tun“ geirrt zu haben. Seit bald zehn Jahren weise ich sie darauf hin – vergeblich. Noch immer behaupten sie, das Substantiv (!) „Leid“ habe hier seine substantivischen Eigenschaften verloren. Es ist nicht zu fassen. Und das soll ein neuer amtlicher Text werden? Jeder Deutschlehrer könnte dem Rat erzählen, wie es sich wirklich verhält.


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