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03.07.2005
 

Bibel der Pedanten
Der Duden wird 125

Große Jubiläen werfen ihre Schatten voraus: Erste Berichte zum einigermaßen runden Geburtstag des Traditionswörterbuchs sind schon im Umlauf.

Hier die ddp-Meldung im Wortlaut:

Duden schuf Gemeinschaft
Die späte Nation Deutschland brauchte auch einen langen Weg zur Einheit der Rechtschreibung

Von ddp-Korrespondent Peter Leveringhaus

Berlin (ddp). Der Streit um die Rechtschreibung in Deutschland hat eine viel längere Tradition, als das aktuelle Gezerre vermuten lässt. Die wichtigste akademische Frucht dieses Streits wird am 7. Juli bereits 125 Jahre alt: der Duden. «Im Gegensatz zu anderen Sprachen wie Englisch oder Französisch hat das Deutsche keine zentrale Akademie, die festlegt, was orthografisch richtig ist und was falsch», sagt Ludwig Eichinger, Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, im ddp-Gespräch.

Die sprachliche Entwicklung Deutschlands sei Ergebnis seiner politischen und territorialen Entwicklung, so der Germanist. «Anders als England und Frankreich, die schon Jahrhunderte vorher als eigene Staats- und Sprachgebilde existierten, erlangte Deutschland als späte Nation erst 1870 durch die Reichsgründung Bismarcks seine staatliche Einheit - unter preußischer Führung«, wie Eichinger anmerkt.

Bis weit ins 19. Jahrhundert herrschten in Deutschland vorwiegend zwei Auffassungen über die Rechtschreibung vor. Zum einen die des Sprachforschers Johann Christoph Adelung (1732-1806), der mit dem »Grammatisch-Kritischen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart« (1774-86) das erste große Wörterbuch der deutschen Sprache herausbrachte. Es beschreibt in rund 60000 Artikeln Herkunft, Bedeutung und Gebrauch des deutschen Wort- und Sprachschatzes und dokumentiert so den Entwicklungsstand der Sprache in jener Zeit. Es richtete sich nach der phonetischen, also lautlichen Rechtschreibung (»Schreibe, wie du sprichst«).

Die zweite Richtung folgte dem historisch-etymologischen Grundsatz, also der jeweiligen Wortgeschichte. Ihr Vertreter ist der Germanist Jacob Grimm (1785-1863), der mit seinem Bruder Wilhelm 1838 das »Deutsche Wörterbuch« begann. 1854 erschien der erste Band, doch erst 1961 war das gewaltige Kompendium (Gesamtumfang 350 000 Stichwörter) mit dem 32. Band abgeschlossen.

Erstmals versuchte 1876 eine Kultusministerkonferenz [!], die »1. Orthographische Konferenz«, unter preußischem Vorsitz eine grundsätzliche Neuregelung der Rechtschreibung. Die 15 Sprachwissenschaftler, unter ihnen Konrad Duden, stritten vergeblich darüber, ob zum Beispiel »Th« im Deutschen abgeschafft werden sollte (nur noch »Tür«, nicht aber »Thür«) oder aus »c« grundsätzlich »k« werden sollte (nur noch »Kasse«, nicht aber »Casse«).

Weil dieser ungeordnete Zustand für die Schulen und Druckereien nicht haltbar war, erstellten die einzelnen deutschen Länder kurzerhand ihre eigenen Schulorthografien. Auch die »Preußische Schulorthographie« von 1880 gehörte dazu. In diesem Werk fiel unter anderem das »th« in Mittel- und Endstellung weg, und das »c« wurde in deutschen Wörtern durch »k« oder »z« ersetzt. Wilhelm Wilmanns, ein enger Bekannter Dudens, hatte sie verfasst.

Das Werk bildete endlich den Kompromiss, der die uneinigen Lager näher zusammenführte und die Basis für eine sich allmählich vereinheitlichende Schulorthografie bildete. Sie setzte sich durch und wurde zur Grundlage für Konrad Dudens im selben Jahr verfasstes und am 7. Juli 1880 in Leipzig erschienenes »Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache«. Das Datum gilt als erste Duden-Ausgabe, auch wenn sie noch nicht seinen Namen trug.

Auf der »2. Orthographischen Konferenz« 1901 wurde Dudens Werk endgültig zur Norm erhoben. Der erste, nach dieser Konferenz erschienene Duden von 1903 ließ noch viele Ausnahmen zu, so dass Duden für die Buchdrucker einen zusätzlichen Duden herausgab, der für die vielen Doppelschreibungen nur noch eine Variante zuließ. Dieser »Buchdruckerduden« verschmolz 1915 mit dem »Orthographischen Wörterbuch« zum ersten einheitlichen »Duden«, der für Jahrzehnte maßgeblich blieb.



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Kommentare zu »Bibel der Pedanten«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2005 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=289#1126

Man könnte meinen, Adelung sei ein Radikalphonetiker gewesen ...

Wenn der Duden bis 1996 die Bibel der Pedanten gewesen wäre, dann muß man sagen, daß er sich seither den krausen Ideen einer orthographischen Sekte verschrieben hat, ohne übrigens an Pedanterie nachzulassen. Das Ergebnis ist ein geistiger Tiefstand, der selbst die gelinde Nazifizierung, die immerhin unter einem gewissen Zwang geschah, weit in den Schatten stellt.


Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 03.07.2005 um 15.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=289#1125

Die Bibel als Lebensbegleiter

Zur Überschrift: „Bibel der Pedanten“ wäre immerhin anzumerken, daß Pedanterie positive Seiten hat.
Sie entspringt einer abwägenden und freiheitlich getroffenen Einsicht, die ihre Entscheidung dahingehend fällt, daß es sinnvoll ist, sich bestimmten Arbeitstechniken und Fremdnormierungen zu unterziehen.
Negativ an der Pedanterie ist allerdings der Umstand, daß der einmal gewählte „Zustand der Fremdnormierung“ zum Lebensprinzip gerät.
Im übrigen ist es eine Frechheit, sämtliche „Dudenjünger“ als Pedanten zu beschimpfen.

Eine alternative – allerdings krasse – Überschrift wäre: „Bibel der Hörigen“
Damit allerdings wäre der Jetztzustand Deutschen Wesens beschrieben!




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