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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.05.2007
 

Unakademisches Treiben
Nicht daß ich prüde wäre, aber ...

Wenn ich in der nützlichen Linkliste

www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/hdhs/linklist

das Stichwort "Frauenlexikon" anklicke, gerate ich sofort an die sonderbarsten Angebote.



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Kommentare zu »Unakademisches Treiben«
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Kommentar von Ballistol, verfaßt am 16.05.2007 um 09.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8544

Erlebnisse eines freien Journalisten, Episode XXVII


I.

Hallo Herr ...,
vielen Dank für den Artikel und die Aufnahmen!

Dazu habe ich noch einige Anmerkungen und Wünsche.
- Wir richten uns nach der "neuen" deutschen Rechtschreibung. ...


meine Antwort:

... Zur Rechtschreibung: Ich bin damit einverstanden, wenn Sie den Artikel hausintern durch die Rechtschreibumstellung laufen lassen. Andernfalls müßten wir zunächst eingehend besprechen, welche der derzeit herrschenden Reformvarianten Sie meinen. Mit der durch mich verwendeten normalen Rechtschreibung stelle ich nicht nur sicher, sprachrichtig (grammatikalisch richtig) zu schreiben, sondern auch so, wie es noch immer ca. 90 % der Leser wünschen. ...


dann:

Hallo Herr ...,
...
Deutsch: Okay, ich model es um.


--------------


II.

Email eines österreichischen Staatsbeamten, Mitte sechzig, ursprünglich Reformgegner, jetzt zwangsweise gleichgeschaltet, damit die Schüler nicht noch mehr verwirrt werden:


Lieber Herr ...!

... Es ging um das ..., jenem historischen Prachtstück des Bundeslandes ... -und ausserdem ...

Dieses ist das einzige ... Haus, das ... der deutsche Industrielle ... errichten liess, so wie die die gesamte Industriestadt ... eine ganz aussergeöhnliche ... . ... insbesodners, ... muss ... weiß ...
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 15.05.2007 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8538

Mit "subtil" meinte ich aber den subversiven Aspekt, der darin besteht, genau die Signale gar nicht zu senden, die vermutlich von vielen Reformwilligen einzig gesucht und erkannt werden. So könnte man leicht feststellen, wie gründlich oder oberflächlich einer den Text prüft, der auf Neuschrieb besteht. Ist er gründlich, wird er irritiert sein. Sagt er nichts, achtet er tatsächlich nur auf "falsches" ß.
Zum Glück habe ich selber keine Vermeidungsstrategie nötig und schreibe ungerührt stets "daß" und "muß". In Texten für eine breitere Fachöffentlichkeit habe ich die Vermeidung schon versuchsweise praktiziert, aber reagiert hat keiner. Da wird alles kommentarlos rezipiert.

 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 15.05.2007 um 08.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8536

Subtil mag es schon sein, wenn einer sich die Übung auferlegt, bestimmte Wörter zu vermeiden. In der F. A. Z. gab es einmal eine kleine Glosse, in der ganz auf das -n- verzichtet wurde. Das regt die Hirnwindungen an, ja.

Aber sowas nur deshalb tun, um Kollisionen mit den Reform-Quislingen zu vermeiden? Nein, gewiß nicht! Ich ziehe lieber jedes -ß- wie eine Fahne hoch, als daß ich mir von der dunklen Seite meine Sprache, meine Ausdrucksweise und mein Denken diktieren ließe.
 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 14.05.2007 um 23.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8530

Die Vermeidungsstrategie für "daß" heißt "abhängiger Hauptsatz" (ich sehe, er kommt). "Mußt" läßt sich oft durch "hat zu ..." umschreiben, das gibt es ja auch in anderen Sprachen. Kein schöner Stil, aber hier wohl entschuldbar.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 14.05.2007 um 22.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8528

Wie von Herrn Eversberg als Möglichkeit gesehen, geschieht die Ausweichung (oder gar Entweichung) höchst "subtil" als geistige Übung seit längerem. Man braucht ja nicht einmal einen Computer, um eine in etwa gleichem Zugriffsmodus erstellte Textmenge im Umfang einer schlappen Million Zeichen ("Korpus" (Neutrum) ist etwas genauer definiert) von 1996 und eine ebensolche von 2006 zu vergleichen, um die "daß"- und muß"-Vermeidung statistisch oder gar stochastisch zu erheben. Man nehme zunächst nur in besagtem Modus die angegebene Menge aus dem Bereich, so da "germanistische Linguistik" heißt, ohne sich gleich auf "linguistic online" zu minimieren.

Früher nannte man solches Anpassung, heute müßte es Gefügigkeitswilligkeit heißen, weil ja keiner ohne Klagedrohung Opportunist genannt werden darf. Sowohl Adolfs Reich als auch die DDR bestanden durchweg und in toto aus Widerständlern, wenn auch mehrstenteils recht subtilen.
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 14.05.2007 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8518

Versuchen Sie mal, wenn Neuschrieb gefordert wird, lediglich "dass" und vielleicht noch "muss" zu verwenden, sonst aber nichts. Um zu sehen, ob jemand was merkt. Subtiler, aber schwieriger, auf "daß" und "muß" ganz zu verzichten...
 
 

Kommentar von S.L., verfaßt am 14.05.2007 um 15.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8516

In meiner Staatsexamensarbeit (Teilbereich: Historische Linguistik) habe ich 2005/06 die traditionelle Rechtschreibung verwendet. Meine Professorin hatte nichts dagegen. Allerdings haben wir das Thema auch nie bewußt angesprochen. Ich habe damals einfach so geschrieben, wie ich es selbst für angemessen hielt.

Im Referendariat sieht die Sache nun anders aus. Lehrprobenentwürfe muß ich in sogenannter "neuer" Rechtschreibung einreichen. Darauf wurde ich sehr deutlich hingewiesen, nachdem ich meinen ersten Entwurf in traditioneller Orthographie verfaßt hatte. (Die Tafelbild-Skizzen hatte ich nach "neuen" Regeln angefertigt!)

Man sagte mir, daß es sich bei Lehrprobenentwürfen um "Urkunden" (d.h. dienstliche Schriftstücke) handele. Mir bleibt leider nichts anderes übrig, als dieser Anweisung Folge zu leisten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.05.2007 um 23.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8508

Diese "dubiose Domäne" erinnert mich daran, daß das Wort Wollust früher jeder auf Anhieb richtig schreiben konnte, während man jetzt, falls man es den Reformern recht tun will, schon etymologische Kenntnisse haben muß, um es weiterhin richtig mit nur zwei l zu schreiben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2007 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8506

Welcher Student läßt es einmal darauf ankommen und schreibt "rauh" usw.? Eine Musterklage wäre interessant.
Übrigens wird in dem Text der Potsdamer Gefolgsleute einmal "orthographisch" und gleich danach "orthografisch" geschrieben.
Es ist wahr, beide Texte sind zum Speien, aber bei Didaktikern kann man sowieso nicht viel erwarten, bei den Potsdamer Germanisten schon eher. Eisenberg war wohl schon emeritiert, als der Institutsrat dies beschloß - oder?
Nachtrag: Ich glaube nicht, daß es Rechtens ist, wenn ein Hochschullehrer oder ein Institut die Rechtschreibung, die von den meisten Schriftstellern und von der Mehrheit der Deutschen für richtig gehalten wird, als Fehler anstreicht. Bei Durchsicht entsprechender Websites bin ich aber doch ein wenig überrascht, wie viele Institute oder Lehrstühle die neue Rechtschreibung zur Vorschrift erklären. Gedankenlosigkeit oder das übliche akademische Kuschen vor der Obrigkeit?
 
 

Kommentar von Student, verfaßt am 13.05.2007 um 13.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8505

Gleiches gilt für die Universität Potsdam, wenngleich die Arbeiten neuerdings nicht mehr zurückgegeben, sondern schlechter bewertet werden:

http://www.uni-potsdam.de/u/germanistik/studium-hausarbeit.htm

Diese Regelung besteht übrigens schon seit mehreren Jahren und ist bei jeder neuen Reformstufe angepaßt worden. Das hat eine um so eigenartigere Wirkung getan, als Herr Professor Eisenberg (bis zum Beschluß des Rechtschreibrates zur Getrennt- und Zusammenschreibung) in seinen Vorlesungen und Seminaren leidenschaftlich gegen die neue Orthographie zu polemisieren gewußt hat. Nach dem Beschluß hat er freilich sofort die Heysesche Schreibweise übernommen.
 
 

Kommentar von S.L., verfaßt am 13.05.2007 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8504

A propos Universitätsraum:

In einer Handreichung der Universität Bremen (Fach: Germanistik, Teilbereich: Didaktik des Deutschen) lese ich gerade: "Neue Rechtschreibung ist Pflicht. Arbeiten, die sich nicht daran halten, werden zurückgegeben. (~ ACHTUNG!)"

Quelle: http://www.fb10.uni-bremen.de/germanistik/didaktik/tipps.htm

Verantwortlich für diesen widerwärtigen Unfug sind Prof. Dr. Matthis Kepser, Dr. Stefan Schallenberger, Ulrike Eberhardt (Doktorandin) und
Petra Anders (Wissenschaftliche Mitarbeiterin).

Mein ehemaliger Professor - er hat gerade seine Abschiedsvorlesung zum Thema 'Wein und Sprache' gehalten - bat mich vor etwa drei Jahren, bei der herkömmlichen Rechtschreibung zu bleiben. Mit dieser Bitte war er allerdings wirklich so etwas wie ein Außenseiter.

Vielen Professoren der Germanistik scheint die Rechtschreibung inzwischen egal zu sein. Andere vollstrecken die Staatsräson, indem sie Handreichungen wie die oben zitierte herausgeben.

Ich verachte solche Menschen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 13.05.2007 um 12.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8503

Ich denke mir, da erlaubt sich jemand (oder eine Red.) einen Scherz. Die Redaktion müßte doch schon aus Neugier den Link anklicken, wenn sie "dubiose Domäne" dazuschreibt. Ein derberer Scherz wäre der Hinweis gewesen: "gefördert von EMMA". Aber dann wäre der Spaß in Nullkommanix beendet gewesen. Vielleicht steht eine Wette dahinter, wie lange der Link überleben wird.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 11.05.2007 um 16.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=839#8498

Naja, dieses "Lexikon" wird mit dem Hinweis "(dubiose Domäne)" angekündigt, und vorwerfen muß man der "Red." da eben, daß man auf sowas nicht hereinfallen darf, bloß weil jemand ein Wort einfach so verwendet. Etwas weiteres Nachdenken ist bei derartiger Verweisung im Universitätsraum schon angebracht, das meine ich auch. Aber das Akademische ist eben auch in Heidelberg offenbar nicht mehr, was es mal war.

 
 

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