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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.09.2006
 

Protokoll der sechsten Sitzung Okt. 2005
Acht entschuldigte Mitglieder

In dieser Sitzung ging es hauptsächlich um die Vorlage der Arbeitsgruppe „Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende“.


Protokoll
der sechsten Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung

Ort: Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim
Termin: 28. Oktober 2005, 11.05 bis 15.10 Uhr
Anwesende:
Vorsitz: Staatsminister a. D. Dr. h. c. mult. Hans Zehetmair
Mitglieder aus Deutschland: Prof. Dr. Ludwig M. Eichinger, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Norbert R. Wolf, Prof. Dr. Peter Eisenberg (bis 14.15 Uhr), Dr. Matthias Wermke, Dr. Sabine Krome, Prof. Dr. Rudolf Hoberg, Prof. Dr. Werner Besch, Prof. Dr. Jakob Ossner, StD Fritz Tangermann, Michael Banse, Ulrike Kaiser, Jürgen Hein, Anja Pasquay, Prof. Dr. Theodor Ickler, Dr. Ludwig Eckinger
Mitglieder aus Österreich: OStR Prof. Günter Lusser, Prof. Dr. Richard Schrodt, Mag. Ulrike Steiner, Obersenatsrat Dr. Kurt Scholz, Dr. Hans Haider, Dir. Georg Glöckler, Dr. Ludwig Laher
Mitglieder aus der Schweiz: Prof. Dr. Peter Gallmann, Prof. Dr. Thomas Lindauer, Dr. phil. Roman Looser, Dr. h. c. Werner Hauck, Peter Feller, Stephan Dové
Mitglied aus dem Fürstentum Liechtenstein: Renate Gebele Hirschlehner
Mitglied aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol: Dr. Rudolf Meraner
Gäste: Dr. Franz Guber, Ministerialrat Christoph Stillemunkes
Entschuldigt: Prof. Dr. Uwe Pörksen, Dr. Edmund Jacoby, Wolfgang Fürstner, Landes-schulinspektor Dr. Karl Blüml, Bundesminister a. D. Dr. Helmut Zilk, Prof. Dr. Dr. h. c. Horst Sitta, Max A. Müller, Dr. Monique R. Siegel

Tagesordnung:
TOP 1:
Feststellung der Beschlussfähigkeit
TOP 2:
Genehmigung der Tagesordnung und des Protokolls
TOP 3:
Beschluss über die Vorlage zur „Worttrennung am Zeilenende“ der Arbeitsgruppe „Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende“
TOP 4:
Beratung über die Vorlage zur „Zeichensetzung“ der Arbeitsgruppe "Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende“
TOP 5:
Behandlung weiterer Themenkomplexe durch den Rat und ggf. Einsetzung einer Arbeitsgruppe
TOP 6:
Verfahrensfragen gemäß den Vorgaben des Statuts (Anhörungsfragen)
TOP 7:
Verschiedenes

Protokoll: Dr. Kerstin Güthert (IDS)

Zu TOP 1: Feststellung der Beschlussfähigkeit
Der Vorsitzende stellt die Beschlussfähigkeit fest und eröffnet die Sitzung. Anschließend trägt er die eingegangenen Entschuldigungen vor und setzt die Mitglieder von den Stimmrechts-übertragungen in Kenntnis: Das Stimmrecht übertragen hat Pörksen an Eisenberg, Fürstner an Kaiser, Jacoby an Pasquay, Blüml an Steiner, Zilk an Scholz, Sitta an Gallmann, Müller an Lindauer und Siegel an Dové.

Zu TOP 2: Genehmigung der Tagesordnung und des Protokolls
Tagesordnung und Protokoll stehen zur Genehmigung an. Während die von Präsidium und Geschäftsstelle vorgeschlagene Tagesordnung wie vorgelegt angenommen wird, werden zum Entwurf des Protokolls zur Juli-Sitzung Anträge von Krome, Besch und Wolf eingereicht. Den Anträgen gemäß wird das Protokoll an drei Stellen geändert: TOP 4 wird auf S. 8 vor „Im Gesamt zeichnet sich in der Diskussion ab“ um einen Absatz ergänzt (Antrag Krome), im vierten Absatz von TOP 2 wird der in Klammern gesetzte Einschub wegen seines einseitig hervorhebenden Charakters gestrichen (Antrag Besch) und in TOP 3 wird im dritten Absatz auf S. 5 die Formulierung „Der Einwand Heins […] verfängt bei dieser Argumentation nicht“ ausgetauscht.
Unter Einschluss der vorstehend benannten Änderungen wird das Protokoll angenommen.

Zu TOP 3: Beschluss über die Vorlage zur „Worttrennung am Zeilenende“ der Arbeits-gruppe „Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende“
Der Bereich der Worttrennung am Zeilenende wurde bereits auf der letzten Sitzung andiskutiert. Beratungsgrundlage damals bildete eine Vorlage der AG. Diese wurde zwischenzeitlich entsprechend den Vorstellungen des Rats überarbeitet. Da Banse und Steiner das Papier der AG nicht mittragen (zu den Gründen s.u.), liegt dem Rat neben dem Vorschlag der AG auch ein Alternativvorschlag von Banse/Steiner vor.
Eichinger stellt den Vorschlag der AG vor. Der Vorschlag der AG gliedert sich in die folgenden vier Unterpunkte: (0) Vorbemerkungen, (1) Trennung zusammengesetzter und präfigierter Wörter, (2) Trennung mehrsilbiger und suffigierter Wörter und (3) Besondere Fälle. Dabei wird unter (0) die Trennung der geschriebenen Wörter nach Silben, die Vermeidung irreführender Trennungen und die Abtrennung von einzelnen Vokalbuchstaben am Wortanfang und ‑ende thematisiert und unter (3) die Trennung zusammengesetzter und präfigierter Wörter, bei denen Morphem- und Silbenfuge auseinandertreten. Der Vorschlag unterscheidet sich vom amtlichen Regelwerk in der Fassung von 2004 in der Hauptsache durch eine klarere Hierarchisierung und durch eine Systematisierung. Letztere bedingt auch die einzige Ergänzung einer Regel, nämlich derjenigen, nach der zwischen Vokalbuchstaben, die zu verschiedenen Silben gehören, getrennt werden kann (wie z.B. nati-onal, europä-ische). Diese Art von Trennung ist erst seit der Rechtschreibreform uneingeschränkt zulässig, denn die alte Rechtschreibung sah vor, dass derartige Fälle „besser ungetrennt bleiben“ (vgl. Richtlinie 180 im 1991er Rechtschreibduden). Es handelt sich also um eine systematische Änderung durch die Reform, die nach Ansicht der AG expliziert werden und nicht nur – wie im amtlichen Regelwerk geschehen – implizit durch Beispiele abgedeckt sein sollte.
Der Alternativvorschlag wird von Banse und Steiner erläutert. Er nimmt keine Untergliederung vor und weist gegenüber dem amtlichen Regelwerk lediglich zwei Umstellungen auf: zum einen wird auf die Vermeidung irreführender Trennungen bereits unter den (so nicht benannten) Vorbemerkungen hingewiesen und zum anderen wird die Regel zur Trennung zusammengesetzter und präfigierter Wörter vor allen anderen Regeln angeführt, d.h. auch vor der Trennung nach Silben. Mit diesen minimalen Anpassungen ist nach Ansicht von Banse und Steiner die Verhältnismäßigkeit gewahrt, die den Bereich der Worttrennung am Zeilenende nicht als einen Bereich mit einer großen Reparaturbedürftigkeit ausweise. Des Weiteren spiegle ihr Vorschlag das Ergebnis der Voten wider, in denen sich nur 10% für eine generelle Änderung ausgesprochen hätten. Ebendiese hätten auch den Ausschlag dafür gegeben, weder die Abtrennung von einzelnen Vokalbuchstaben am Wortanfang noch die Trennung von ‹ck› zur Abstimmung zu stellen.
Gerade Letzterem wird widersprochen, da nach verbreiteter Auffassung allein der Rat darüber zu befinden habe, ob hier Änderungsbedarf gesehen wird oder nicht. In diesem Sinne kommt man darin überein, zunächst diese beiden inhaltlichen Fragen zu klären, bevor über die Regelstruktur entschieden wird.
Bei der Abtrennung von einzelnen Vokalbuchstaben am Wortanfang werden zwei Optionen eingehend diskutiert: eine Empfehlung der Nicht-Abtrennung („… sollten nicht abgetrennt werden“) und ein Verbot ihrer Abtrennung („… werden nicht abgetrennt“). Besonderes Gewicht – im Hinblick auf die Entscheidungsfindung – kommt dabei dem linguistischen Befund und der vorzufindenden Praxis („Schreibgebrauch“) zu.
Steiner verwendet sich für eine Empfehlung der Nicht-Abtrennung, da es sich um einen regulären Fall der Syllabierung handle. Dem entgegnen Eisenberg und Ickler, dass diese Einschätzung nur für lange Vokale gelte (wie z.B. bei A-bend), nicht aber für kurze (wie z.B. bei *a-brupt), bei denen keine Silben entstünden. Beide plädieren vor diesem Hintergrund für ein Verbot der Abtrennung, da auf diese Weise die Problematik der Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen umgangen wird.
Weitere Gründe für ein Verbot führen u.a. Kaiser und Ossner an. Ihren Beobachtungen zufolge hat die Einzelbuchstabenabtrennung keine Praxisrelevanz, Trennungen wie z.B. Buche-cker wären von der Sprachgemeinschaft nicht angenommen worden. Der daraufhin unternommene Vorstoß von Hoberg, diese Fallgruppe einfach nicht zu thematisieren, wird von Hein als nicht angemessen bezeichnet, da in diesem Falle die Entwickler von Computertrennprogrammen keine Veranlassung sähen, Trennungen dieser Art auszuschließen.
Darüber hinaus wird die Notwendigkeit gesehen, die Regel der Einzelbuchstabenabtrennung am Wortanfang auf diejenige zur Einzelbuchstabenabtrennung am Wortende abzustimmen (§ 107 E des amtlichen Regelwerks). § 107 E erscheint insofern problematisch, als er weder Trennungen wie z.B. Kore-akrieg ausschließt noch argumentativ zu überzeugen vermag (vgl.: „Die Abtrennung … ist überflüssig, da der Trennungsstrich den gleichen Raum in Anspruch nimmt“). Der daraufhin von Eisenberg eingebrachte Antrag einer Regelformulierung – „Einzelne Vokalbuchstaben am Wortanfang oder -ende werden nicht abgetrennt“ – wird mit 28 Ja-Stimmen bei 7 Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen.
Bei der Bewertung der verschiedenen Trennmöglichkeiten von ‹ck› werden neben linguistischen Argumenten auch die Erfahrungswerte aus dem schulischen Bereich herangezogen. Diese sprechen nach Banse, Lusser und Meraner eindeutig für die Beibehaltung der 1996er Lösung. Die Umwandlung von ‹ck› in k-k nach alter Rechtschreibung habe Probleme in der Schule bereitet, die mit der Neuregelung gelöst worden seien.
Der linguistische Befund fällt uneinheitlich aus. Einerseits wird auf die Ähnlichkeit von ‹ck› und ‹ch› verwiesen, die sich in Schreibungen wie wachsen und Fuchs zeige, in denen ‹ch› für den Laut /k/ steht. Andererseits wird ‹ck› historisch-systematisch in § 3 des amtlichen Regelwerks als Ersatzschreibung für ‹kk› verortet und damit als Doppelkonsonantbuchstabe eingestuft. Doppelkonsonantbuchstaben aber werden zwischen beiden Buchstaben getrennt. Dies trifft, wie Güthert ausführt, historisch auch auf die Trennung von ‹ck› zu, das – sobald es die Funktion eines Doppelkonsonantbuchstabens annahm – bei der Trennung in k-k umgewandelt wurde.
Nach Austausch der Argumente stellt Dové den Antrag, die Abtrennung von ‹ck› beizubehalten. Dieser Antrag wird mit 30 Ja-Stimmen bei 3 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen angenommen.
Hinsichtlich der Frage, in welche der beiden Vorlagen die Beschlüsse des Rats eingearbeitet werden sollen, konnte keine Einigkeit erzielt werden. Weder erreichte die Vorlage der AG (22 Ja-Stimmen bei 14 Gegenstimmen) noch die von Banse/Steiner (14 Ja-Stimmen bei 22 Gegenstimmen) die erforderliche Zweidrittelmehrheit. In einem daraufhin eingeholten Stimmungsbild sprach sich aber die breite Mehrheit der Ratsmitglieder für die Strukturgrundlage der AG aus, derzufolge zuerst die Trennung nach Silben und dann die Trennung von zusam-mengesetzten und präfigierten Wörtern behandelt wird. Mit dieser Vorgabe versehen wird die AG beauftragt, bis zur nächsten Sitzung eine konsensuale Vorlage zu erstellen.

Zu TOP 4: Beratung über die Vorlage zur „Zeichensetzung“ der Arbeitsgruppe „Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende“
Der Bereich der „Zeichensetzung“ stand bereits auf der Juli-Sitzung auf der Tagesordnung, musste aber aus Zeitgründen abgesetzt werden. Aus diesem Grunde hat die AG die seinerzeit vorgelegte Vorlage zur Zeichensetzung nicht überarbeitet. Neben der Vorlage der AG liegt der Beratung eine Ausarbeitung von Gallmann zum Komma bei Infinitivgruppen zugrunde.
Die Vorlage der AG enthält Änderungsvorschläge zu § 73, § 76 und § 97E des amtlichen Regelwerks und betrifft somit das Komma und den Apostroph. Eichinger fasst in seiner Funktion als AG-Leiter kurz den Vorschlag der AG zur Kommasetzung zusammen und kontrastiert ihn mit dem Papier von Gallmann.
Zu § 73 des amtlichen Regelwerks, der die Kommasetzung bei mit und, oder usw. verbundenen gleichrangigen Teilsätzen beinhaltet, schlägt die AG zwei Änderungen vor. Zum einen empfiehlt sie, in der Regelformulierung „gleichrangige Teilsätze“ durch „selbstständige Sätze“ zu ersetzen, um das Komma in gereihten Nebensätzen wie z.B. in: „Es war nicht selten, dass er sie besuchte(,) und dass sie bis spät in die Nacht zusammensaßen, wenn sie in guter Stimmung war“ auszuschließen und zum anderen rät sie an, das Komma in den Fällen verpflichtend zu machen, in denen die Gliederung nicht zweifelsfrei ist (vgl.: „Ich fotografierte die Berge, und meine Frau lag in der Sonne).
Zu § 76 des amtlichen Regelwerks, der die Kommasetzung bei „Infinitiv-, Partizip- oder Adjektivgruppen oder bei entsprechenden Wortgruppen“ mit Ausnahme der in § 77 genannten Fälle freistellt, wird angeregt, das Komma bei Satzwertigkeit der Konstruktion obligatorisch vorzusehen. Dabei gibt es einen „harten Kern“, der unter (1) bis (3) vorgestellt wird und der sich anhand der Infinitiv-, Partizip- oder Adjektivgruppe bzw. anhand der einleitenden Kon-junktion gut ausmachen lässt. Die unter (4) und (5) angeführten Fallgruppen – Wortgruppen, die exponiert am linken oder rechten Rand bzw. im Mittelfeld stehen – hingegen gehören zwar systematisch zu dieser Gruppe, sind aber zum Teil schwer von entsprechenden nicht-satzwertigen Gruppen abzugrenzen. Deshalb wäre nach Eichinger zu überlegen, das Komma in den Fallgruppen (4) und (5) freizustellen.
Der Vorschlag der AG zu den Infinitivgruppen entspricht der Variante C von Gallmann. Gallmann stellt in seinem Papier die drei grundsätzlichen Regelungsvarianten vor; dabei führt Variante A die 1996er Lösung fort und Variante B stellt einen Mittelweg dar, indem sie das Komma in drei formal abgrenzbaren Fallgruppen verpflichtend vorsieht, im Übrigen aber freistellt. Obligatorisch wäre das Komma demzufolge bei Infinitivgruppen, die (1) mit um, ohne, statt, anstatt, außer, als eingeleitet sind, (2) von einem Substantiv abhängen oder (3) mit dem übergeordneten Satz über ein Korrelat oder Verweiswort verbunden sind.
Die entscheidende Frage an den Rat ist folglich, ob das Komma (in bestimmten Fällen) wieder obligatorisch gesetzt werden soll. Dazu werden vom Rat allgemeine Positionierungen erbeten. Erst in einem zweiten Schritt kann dann die Frage nach der angemessenen Beschreibung geklärt werden.
Die einleitende Einschätzung Lindauers, dass die Gesellschaft das Komma nicht nutzt, aber die professionell Schreibenden das große Bedürfnis haben, das Komma zu setzen, wird von Besch geteilt. Besch bezweifelt, dass es vor der Reform einen starken Schreibusus in diesem Bereich gab. Vielmehr geht er davon aus, dass der beschriebene Usus nur innerhalb einer schmalen Schicht verbreitet war. Dieser Usus, der erst spät – nämlich im sog. Buchdruckerduden – aufgegriffen worden sei, diene in Drucken der klaren Strukturierung, erschwere aber Kindern und Erwachsenen das Schreiben. Besch plädiert insofern dafür, den im Deutschen eingeschlagenen Sonderweg zu verlassen.
Für Eisenberg stellt sich die Entwicklung anders dar. Er begreift die Entwicklung im Bereich der Zeichensetzung (wie auch im Bereich der Groß- und Kleinschreibung) als einen Prozess der Syntaktisierung. Dabei habe der Duden den Usus festgeschrieben, in dem sich bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts – von Resten abgesehen – das syntaktische gegenüber dem rhe-torischen Komma durchgesetzt habe. Notwendigerweise ergäben sich dabei Redundanzen; so würden aber auch z.B. Nebensätze durch Komma abgetrennt, obwohl sie durch das Einleitewort und die Endstellung des Finitums bereits hinreichend markiert wären. Nach seiner Erfahrung führt die fakultative Kommasetzung bei z.B. adverbialen Infinitivgruppen zu einem Einbruch des Kommas bei den Nebensätzen. Die Frage könne daher nicht lauten, ob Kommas, die 1996 für fakultativ erklärt wurden, wieder eingeführt werden, sondern nur welche und wie viele.
Einen anderen Angang wählt Schrodt. Wie Hoberg, der den „Charme“ des stilistischen Kommas hervorhebt, möchte er die Freiheit in diesem Bereich nicht missen. Er spricht sich für eine vernünftige Orthografie aus und wirft die Frage in die Diskussion ein, ob Syntaktisierung notwendig sei. Auf seine Feststellung freilich, dass sich im Bereich der Zeichensetzung – siehe Schriftsteller – auch die stilistische Absicht bewusst in der Schreibung manifestieren könne, erwidert Pasquay, dass dies nur funktioniere, weil es einen Verstoß gegen die Regel darstelle. Hein spricht sich denn auch dafür aus, dass der Ausgangspunkt der Usus beim Lesen bilden solle; Texte, die die durch die Reform geschaffenen Freiheiten ausschöpften, seien ihm noch nicht begegnet. Dies trifft, wie Banse ausführt, (mittlerweile) auch auf die Schulbücher zu – die Beliebigkeit wäre vom Usus überrollt worden. Die Empfehlung, Kommas zu setzen, werde in der Praxis befolgt.
Nach dieser Runde der grundsätzlichen Positionierung wird die Diskussion zu § 73 des amtlichen Regelwerks geführt, deren Verlauf von zwei Argumenten bestimmt wird. Das erste bringt Lindauer ein. Lindauer verwendet sich für das fakultative Komma bei dieser Fallgruppe, da es um nichts anderes als um eine Reihung von Sätzen handle. Auf das zweite, ebenfalls für die 1996er Lösung sprechende weist Schrodt hin. Er macht darauf aufmerksam, dass die Forderung, nicht zweifelsfreie Gliederungen durch Komma abzutrennen, in der Praxis schwer aufrechtzuerhalten sei, da Entscheidungen dieser Art in den Bereich der Pragmatik fielen.
Vor diesem Hintergund ist es zu sehen, dass die von Hein als Kompromiss vorgeschlagene Formulierung „Bei der Reihung von selbstständigen Sätzen … sollte ein Komma gesetzt werden“ als keine wirkliche Alternative eingestuft wird; Hein wollte damit den professionell Schreibenden bedeuten, ein Komma zu setzen, und den Schülern eine Richtlinie geben. Zur Abstimmung kommt schließlich die Formulierung „Bei der Reihung von selbstständigen Sätzen, die durch … verbunden sind, kann man ein Komma setzen“. Diese vereint 27 Ja-Stimmen bei 9 Gegenstimmen und einer Enthaltung auf sich. Dabei wurde – da oft kritisiert – „zu einem Ganzsatz“ gestrichen und festgesetzt, dass an die Stelle einer offenen eine geschlossene Liste der Konjunktionen treten soll. Die dazu notwendigen Abgleichungen mit § 72 des amtlichen Regelwerks werden der AG aufgetragen.
Im Hinblick auf den anderen zu diskutierenden Paragrafen, § 76 des amtlichen Regelwerks, sind die wesentlichen Argumente bereits im Rahmen der grundsätzlichen Positionierung gefallen. Deutlich wird ein mittlerer Weg, wie er im Vorschlag B von Gallmann beschritten wird, gegenüber den anderen beiden Alternativen präferiert. Dabei kommt man darin überein, das Komma nur bei bestimmten Infinitivgruppen verpflichtend vorzusehen und damit die Kommasetzung bei den in der AG-Vorlage unter (2) bis (5) angeführten Fallgruppen weiterhin freizustellen. Mehrere Gründe sind dafür ausschlaggebend, von denen die Schwierigkeit der Abgrenzung zu anderen Fallgruppen mit der wesentliche ist. So sieht u.a. Schrodt die Gefahr, dass im Falle eines obligatorischen Kommas bei adverbialen Partizipgruppen überge-neralisierend auch adverbiale Bestimmungen durch Komma abgetrennt werden.
Der Rat votiert mit 33 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen für die Wiedereinführung eines obligatorischen Kommas bei den Infinitivgruppen, die Gallmann unter (1), (2), (3), E1 und E2 seines Vorschlags B aufführt. Er gibt den Paragrafen zur redaktionellen Überarbeitung in die AG. Die Regelformulierung von § 76 neu soll dabei wie folgt beginnen: „Infinitivgruppen grenzt man mit Komma ab, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: …“
Den Abschluss der Beratungen zum Kapitel der Zeichensetzung bildet § 97E, der die Verwendung des Apostrophs in Fällen wie Carlo’s Taverne und Einstein’sche Relativitätstheorie erläutert. Hier schlägt die AG vor, den Passus „vor der Genitivendung -s oder“ und das zugehörige Beispiel zu streichen. Pasquay und Ossner führen die Gründe an, die die AG zu diesem Schritt bewogen: zum einen wird befürchtet, dass mit dieser Erläuterung einer generellen Abtrennung des Genitiv-s Vorschub geleistet wird (d.h. z.B. auch bei *Kanzler’s Hund), und zum anderen wird argumentiert, dass sich die Erläuterung auf Eigennamen beziehe, die per se nicht Bestandteil einer amtlichen Regelung sein sollten. Dem entgegnet Gallmann, dass es sich ja nur um eine Toleranzregel handle, deren Streichung aber ein Verbot derartiger Schreibungen nach sich ziehen könnte – und zwar schon seit längerem gebräuchlicher Schreibungen, wie Lindauer in Erinnerung bringt.
Der von Ossner gestellte Antrag, den Vorschlag der AG zu übernehmen, verfehlt mit 23 Ja-Stimmen bei 13 Gegenstimmen und keiner Enthaltung die erforderliche Zweidrittelmehrheit. § 97E verbleibt daher in der Fassung des amtlichen Regelwerks.

Zu TOP 5: Behandlung weiterer Themenkomplexe durch den Rat und ggf. Einsetzung einer Arbeitsgruppe
Nachdem die Beratungen zu den drei vorrangig zu behandelnden Bereichen unmittelbar vor ihrem Abschluss stehen, stellt sich die Frage, ob bei weiteren Themenkomplexen Beratungs-bedarf gesehen wird.
Bei der sich anschließenden Aussprache werden drei wesentliche Komplexe genannt: Groß- und Kleinschreibung (Ickler), ss-ß-Schreibung (Haider) und Dreifachkonsonanz (Besch). Darüber hinaus schlägt Hauck vor, zu überlegen, wie eine „unité de doctrine“ sichergestellt, d.h. wirksam gegen Hausorthografien vorgegangen werden kann.
Es wird vereinbart, die von Haider und Hauck eingebrachten Punkte auf die Tagesordnung der November-Sitzung zu setzen. Zum TOP „Hausorthografien“ wird Hauck ein Initiativstatement abgeben.
Demgegenüber ist beim Bereich der Groß-Klein-Schreibung eine Aussprache im Rat nicht ausreichend. Der Vorsitzende bittet daher Eichinger, mit einigen Kolleginnen und Kollegen bis zur nächsten Sitzung eine Übersicht der unterschiedlichen Meinungen zu diesem Bereich zu erstellen, mit deren Hilfe der Rat zügig das weitere Vorgehen beschließen kann.

Zu TOP 6: Verfahrensfragen gemäß den Vorgaben des Statuts (Anhörungsfragen)
Das vom Statut vorgesehene Anhörungsverfahren erfordert eine mittelfristige Arbeitsplanung. Nach Ansicht von Zehetmair ist es unabdingbar, dass im Frühjahr die Vorschläge des Rats zu den drei vorrangig zu behandelnden Bereichen den staatlich zuständigen Stellen zur Genehmigung vorgelegt werden.
Da die Beratungen zu den Bereichen der Zeichensetzung und der Worttrennung am Zeilenende auf der nächsten Sitzung abgeschlossen werden, können die Empfehlungen des Rats Anfang Dezember an die Anzuhörenden verschickt werden. Den Anzuhörenden ist – da ein schriftliches Anhörungsverfahren gewählt wird – eine Frist bis Mitte Januar einzuräumen. Im Anschluss daran sollen die Voten in der Geschäftsstelle aufbereitet und dem Rat zum weiteren Entscheid überantwortet werden. Der Vorschlag Zehetmairs, in einer Sitzung die Voten zu beraten und in einer weiteren Sitzung das Änderungspaket zu schnüren, wird einhellig begrüßt. Als Sitzungstermine für das erste Quartal 2006 werden der 3. Februar und der 24. März vereinbart. Beide Sitzungen sollen in Mannheim stattfinden; das über Scholz vermittelte Angebot von Frau Bundesministerin Gehrer, eine Sitzung in Wien auszurichten, wird zwar dankend angenommen, aber erst für die Zeit nach den Terminzwängen für sinnvoll erachtet.
Der Kreis der Anzuhörenden wird im Statut umrissen. Demnach sollten in erster Linie Schüler- und Elternvertreter gehört werden. Darüber hinaus werden Gewerkschaften, Journalisten und Lexikografen vom Rat genannt. Für Österreich, Südtirol/Liechtenstein und die Schweiz erklären sich Scholz, Meraner und Hauck bereit, eine Liste der Anzuhörenden zu erstellen.

Zu TOP 7: Verschiedenes
Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine Wortmeldungen vor.



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