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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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01.08.2006
 

Duden – politisch korrekt
Der „angemessene Gebrauch von Wörtern“

Alle Dudenbände sollen politisch korrekt werden.

Für das Universalwörterbuch sind laut Verlagsmitteilung vom 18.7.2006 sechzig Informationskästen vorgesehen, die den "angemessenen Gebrauch von Wörtern wie zum Beispiel 'abartig' und 'türken'" darstellen. Wie das aussehen könnte, zeigt der bisherige Umgang des Verlags mit der Sprache. Ich betrachte im folgenden einige Kostproben etwas näher.

Betätigungsfelder der Politischen Korrektheit sind vor allem der Antirassismus und der Feminismus; daneben kommt noch die Rücksichtnahme auf Behinderte und Arme in Betracht. Die zuletzt erschienenen Wörterbücher aus dem Dudenverlag, das Rechtschreibwörterbuch in der 23. Auflage vom August 2004 und vor allem das erst vor wenigen Wochen erschienene neubearbeitete Synonymwörterbuch gehen mit der Politischen Korrektheit ganz bewußt weiter als alle bisherigen.
Im Synonymwörterbuch heißt es einleitend:
"Einzigartig sind die zahlreichen Gebrauchshinweise zu brisanten Wörtern, die eine Hilfestellung geben oder Alternativformulierungen anbieten, wenn die Verwendung eines Stichwortes nicht unüberlegt erfolgen sollte." (Vorwort)
"Mit den Gebrauchshinweisen zu brisanten Wörtern wird ein ganz neuer Weg beschritten. Als erstes Synonymwörterbuch erschöpft sich der Dudenband nicht darin, synonyme Ausdrücke, zu Ausgangsstichwörtern zu zeigen, sondern er gibt auch in solchen Fällen Hilfestellung, in denen die Verwendung eines Stichwortes besonders im öffentlichen Sprachgebrauch fragwürdig ist bzw. geworden ist. Die Gebrauchshinweise zeigen dementsprechend Alternativformulierungen für nicht mehr erwünschte Personenbezeichnungen wie Neger, Negerin oder Zigeuner, Zigeunerin; sie nennen Ausweichformen für unerwünschte lange Doppelformen wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter." (S. 12)
Als brisant werden im Synonymwörterbuch die folgenden Wörter gekennzeichnet und kommentiert:
abartig, Ausländer, Bahre, Behinderte, Eskimo, Gastarbeiter, Hasenscharte, irre, Jude, Leichenwagen, Mädchen, Mohammedaner, Neger, normal, pervers, Rasse, taubstumm, Trinker, türken, Unkraut, verrückt, Zigeuner.
Es sind also insgesamt kaum zwei Dutzend "brisante" Wörter, die dem Verlag aber so wichtig sind, daß er schon auf dem Einband mit dieser Neuerung zu werben versucht.
Im neuen Rechtschreibduden sind als diskriminierend gekennzeichnet:
Asylant, Klapsmühle, Mohrenkopf, Mohrenwäsche, Mulatte, Neger, Nigger, Russki, Scheinasylant, Schwuchtel, taubstumm, Türke, türken, Wirtschaftsasylant, Zigeuner, Polack.

Es gibt außerdem noch einige weitere Einträge, die mit anderen Ausdrücken als bedenklich gekennzeichnet werden, z. B. "oft in inhumaner Redeweise" beim Stichwort Menschenmaterial (DUW).
(Den Ausdruck Menschenmaterial würde man für ein Produkt der Weltkriege halten, ich habe ihn aber schon in Felix Dahns "Geschichte der Völkerwanderung" von 1880 gefunden.)
Den über 3000 Vorkommen von "abwertend" steht übrigens im Universalwörterbuch kein einziges "aufwertend" gegenüber, wohl aber 9000mal die Kennzeichnung "gehoben". Eine bemerkenswerte Asymmetrie, die auch einmal erörtert werden müßte.
In Deutschland handelt es sich hier nicht gerade um ein brennendes Problem, und daher haben die entsprechenden Vorstöße nicht selten etwas Gesuchtes und auch Komisches, wie auch von praktischen Lexikographen hervorgehoben wurde (Haller-Wolf und Osterwinkel in einem recht interessanten "Sprachspiegel"-Aufsatz).
Bekanntlich haben empfindliche Menschen vor Jahren an der Bezeichnung Negerkuß Anstoß genommen. Organisierter Protest führte dazu, daß die Herstellerfirmen ihre Erzeugnisse in Schokoküsse oder Schaumküsse umbenannten. Das Duden-Universalwörterbuch möchte nicht zurückstehen und schreibt:
"Ne|ger|kuss, der (veraltend): Schokokuss."
Dieser Eintrag beruht aber nicht auf Beobachtung des wirklichen Sprachgebrauchs, denn Negerkuß veraltet nicht einfach, sondern soll auf diese Weise erst zum Veralten gebracht werden; das Wörterbuch will also erzieherisch auf seinen Benutzer einwirken, es will ihm einen unterstellten Rassismus austreiben, der allerdings beim normalen Liebhaber dieser Süßigkeit gar nicht virulent sein dürfte. Der Rechtschreibduden in der 23. Aufl. von 2004 hat erstmals einen eigenen Kasten, in dem die Vermeidung von Zusammensetzungen mit Neger- wie Negerkuss empfohlen wird. Der Fall ist interessant. Das harmlose Zuckerschaumgebilde kann man ja durch die Bezeichnung Negerkuß nicht kränken, es braucht so wenig vor Rassismus geschützt zu werden wie die zehn kleinen Negerlein des Kinderliedes, auf die ich gleich zurückkommen werde. Auch unter Mohrenkopf und Mohrenwäsche steht "oft als diskriminierend empfunden" – ein Zusatz, der wohl kaum auf tatsächlicher Beobachtung beruht und auch ebenso unklar bleibt: Wer wird eigentlich hier diskriminiert, nachdem das Wort Mohr selbst weitgehend außer Gebrauch geraten, also "veraltet" ist, wie der Duden selbst zutreffend sagt? Sollten sich tatsächlich Schwarzafrikaner durch das sehr selten gebrauchte Wort Mohrenwäsche "oft" diskriminiert gefühlt haben? (In fünf Jahrgängen der "Süddeutschen Zeitung" war das Wort nur zweimal zu finden, beide Male vom selben Autor, Johannes Wilms.)
In den "Informationen zur politischen Bildung", herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, liest man:

"Die Bezeichnung Mohr geht auf das griechische Wort moros = töricht, dumm, gottlos zurück. - Schon in der Umgangssprache verbindet sich mit dem Wort 'schwarz' häufig etwas Ungesetzliches, Schlechtes oder Trauriges. - Ein herabsetzendes Bild des Schwarzen findet sich in Bezeichnungen wie 'Negerkuss' oder 'Mohrenkopf' für Gebäck. - Sport und Popmusik (Soul, Reggae, Jazz) sind heute zwar einerseits Felder, wo Schwarze große Erfolge und soziales Prestige gewinnen, doch bedienen beide Gebiete mit ihrer Betonung von körperlicher Vitalität und Musikalität immer noch das Stereotyp der unverbrauchten, gefühlsintensiven Lebenskraft (...)" (Informationen zur politischen Bildung 271: Vorurteile – Stereotype – Feindbilder (2001), S. 25)
Abgesehen von der falschen Etymologie ist der letzte Satz besonders merkwürdig, weil er auf die Forderung hinausläuft, Sport und Popmusik abzuschaffen, damit die Schwarzen auf diesen Gebieten nicht weitere Erfolge erzielen und damit eine Klischeevorstellung über sich bestätigen. Solche logischen Kapriolen findet man nicht selten.

Das Wort Negerschweiß (früher nur für schlechten oder Ersatzkaffee gebräuchlich, vielleicht aus dem Soldaten- oder Knastjargon) ist wohl allen erwachsenen Deutschen bekannt, aber im Duden sucht man es vergeblich. Sehr streng geht das Bildungswerk des DGB Thüringen mit dem Wort ins Gericht:
"Schon mal was von 'Negerschweiß' gehört? Das ist der Ausdruck, den manche statt 'Coca-Cola' verwenden. Daß ein solcher Sprachgebrauch diskriminierend ist, liegt auf der Hand: Hier wird der im Kolonialismus geprägte, abwertende Begriff 'Neger' verknüpft mit Schweiß – einer Körperausscheidung, mit der überwiegend negative Assoziationen verbunden sind (vor allem ein unangenehmer Geruch), die jedenfalls niemand trinken würde, ohne sich zu ekeln. Gleichzeitig wird behauptet, der Schweiß von Schwarzen sei anders als der von Weißen, nämlich schwarz.
Nicht zuletzt wirkt sich auch die ausführliche Debatte über diese Bezeichnung aus: Nachdem vielfach festgestellt worden ist, daß 'Asylant' ein abwertender Begriff ist, kann kaum jemand das Wort unvorbelastet gebrauchen." (www.dgb-bwt.de)
Das ist in der Tat der Mechanismus, durch den immer mehr Wörter ihre Unschuld verlieren: Mag auch der ursprünglich behauptete Sachverhalt nicht zutreffen – irgend etwas bleibt doch an dem Wort hängen, zumal in einer Kultur des moralischen Verdachts.
Ebd. über Nichtdeutsche: "Ihre Muttersprachen werden vielfach als minderwertig angesehen und lächerlich gemacht - z. B. in Witzen über Chinesen, die "l" statt "r" sagen."
Eine sicherlich vollkommen überzogene Interpretation.
Ich möchte hier eine linguistische Vermutung einschalten: Substantive beanspruchen ihrer Wortartbedeutung nach, das Wesen eines Gegenstandes zu erfassen, während Adjektive (auch substantivierte) nur etwas Akzidentielles, eine Eigenschaft unter anderen Eigenschaften herausheben. Darum wirkt Neger pauschaler und problematischer als Schwarzer; Krüppel oder Idiot diskriminierender als Behinderter; Landstreicher negativer als Nichtseßhafter, und in Australien ist es, wie Anna Wierzbicka mitteilt, mehr oder weniger üblich, aborigine durch aboriginal person zu ersetzen.
Hierzu paßt folgende Beobachtung: Das Wort Ausländer wird im Synonymwörterbuch nicht direkt kommentiert, aber in einem nachfolgenden Kasten heißt es:
"Als nicht diskriminierende Synonyme setzen sich, je nach Kontext, die Ausdrücke ausländischer Mitbürger, ausländische Mitbürgerin oder Arbeitsmigrant, Arbeitsmigrantin immer mehr durch."
Ohne die genannte Hypothese würde man kaum verstehen, warum ausländischer Mitbürger weniger anstößig sein sollte als Ausländer.
Neben den Zusammensetzungen sind die Phraseologismen betroffen:
In dem bekannten Jugendroman "Die rote Zora" von Kurt Held endete das sechste Kapitel noch 1991 mit dem Satz: Sie waren in Curcins Kamin schwarz wie die Neger geworden. In der Neuauflage 1997 heißt es: Sie waren in Curcins Kamin schwarz wie die Afrikaner geworden. Allerdings ist das unpräzise, denn nicht alle Afrikaner sind schwarz; die Redensart verliert beinahe jeden Sinn und könnte in der nächsten Auflage ganz gestrichen werden.
Bekannter wurde ein Fall, der durch die Presse ging. Im März 2002 sollte in Hannover das Stück "Zehn kleine Negerlein" von Agatha Christie aufgeführt werden, eine Bearbeitung ihres gleichnamigen Kriminalromans. Die "Antidiskriminierungsstelle" (die aus einem einzigen Herrn besteht) erreichte in Zusammenarbeit mit dem Verein "African Action" und dem Bund türkisch-deutscher Unternehmer eine Umbenennung.
"Damit wiederholt sich im deutschen Sprachraum das Schicksal, das den Romantitel bereits im Englischen ereilte. Als das Buch 1939 erschien, trug es den Titel "Ten little niggers", der später zu "And Then There Were None" bzw. "Ten Little Indians" verändert wurde. In der Geschichte kommen übrigens gar keine Schwarzen vor. Es geht vielmehr um zehn bleichgesichtige Engländer, die auf einem Landsitz einer nach dem anderen abgemurkst werden. Daher der durchaus treffende Vergleich mit dem alten Kinderlied. Bei jedem Mord verschwindet auch eine von ursprünglich zehn kleinen Figuren mit dunkler Hautfarbe, die auf einem Tisch aufgereiht stehen." (Hannoversche Allgemeine 7. 2. 2002)
Nun kehren wir zu den Wörterbüchern zurück und sehen nach, wie sie mit den inkriminierten Wörtern umgehen.
DUW: Ne|ger, der (...) 1. 1Schwarzer (1) (wird heute meist als abwertend empfunden): er kam schwarz wie ein N. (ugs. scherzh.; ganz braun gebrannt?) aus dem Urlaub zurück. (...)
Immerhin ist die Redewendung also noch verzeichnet. Ein anderes Wort dieser umstrittenen Kategorie ist
"Zi|geu|ner, der: 1. Angehöriger eines über viele Länder verstreut lebenden, meist nicht sesshaften u. mit Wohnwagen o. Ä. umherziehenden Volkes (wird von den Betroffenen selbst oft als abwertend empfunden; vgl. 2Rom, Sinto). 2. (ugs., meist abwertend) jmd., der ein unstetes Leben führt."
Das Wörterbuch berichtet zutreffend, daß das Wort Zigeuner, auf Zigeuner angewandt, an sich nicht diskriminierend ist. Erst in der Anwendung auf Nichtzigeuner wirkt es abwertend, aber nur deshalb, weil das Vorurteil die Zigeuner selbst nicht besonders schätzt; dies freilich wird vorausgesetzt, genau wie bei Tiermetaphern als Schimpfwörtern für Personen.
Nach einem Bericht der Nürnberger Nachrichten vom 21.7.04 wurden die Roma und Sinti früher "abschätzig als 'Zigeuner' bezeichnet". Das trifft jedoch nicht zu. Sie wurden eben als Zigeuner bezeichnet, und die Geringschätzung war die gewöhnliche Abneigung der Seßhaften gegen die Nichtseßhaften und Fremden. Ähnlich nannte man die Juden eben Juden und brachte ihnen vielfach Geringschätzung entgegen, aber hier konnte man die billige Wiedergutmachung durch Umbenennung nicht in Betracht ziehen, weil die Juden sich selbst ebenso nennen. (Ähnliche Gedanken bei Dieter E. Zimmer: "Deutsch und anders".)

Vielleicht darf man psychologisierend vermuten: Nachdem die Deutschen den Zigeunern das Schlimmste angetan haben, wollen sie daran nicht einmal mehr durch die herkömmliche Bezeichnung erinnert werden. Komplizierend tritt allerdings hinzu, daß der Zentralverband der Sinti und Roma die Bezeichnung Zigeuner selbst nicht hören will, wohl in richtiger Würdigung des abschätzigen Klanges, den das Wort seit langem hat.
Ich komme auf dieses Problem gleich noch einmal zurück, möchte aber vorher noch eine interessante Beobachtung mitteilen, die meine Vermutung bestätigt:
In der Süddeutschen Zeitung vom 30.4.04 schrieb Andrzej Stasiuk zum Beitritt Polens in die EU auch über die Zigeuner in Polen. Die Redaktion fügt der Übersetzung eine entschuldigende Fußnote an:
"Das im Deutschen übliche Ersetzen von 'Zigeuner' durch 'Roma und Sinti' ist im Polnischen nicht üblich."
Man müßte den gesamten Wortschatz, der die herkömmliche Geringschätzung zum Ausdruck bringt, fortwährend umwälzen und würde doch an der Sache selbst nichts ändern. Der Eingriff wäre übrigens im Falle der Zigeuner auch schwieriger als beim Negerkuß, weil er zu Roma-und-Sinti-Schnitzel, Roma-und-Sinti-Soße usw. führen würde, ganz zu schweigen vom Verb zigeunern, das wohl ganz ausgemerzt werden müßte. Etwas ähnliches bahnt sich schon bei dem Verb türken an, denn das Wörterbuch vermerkt:
"tür|ken (ugs.; oft als diskriminierend empfunden): fingieren, fälschen: ein Interview t.; getürkte Autounfälle."
Entsprechend für den Türken:
"(oft als diskriminierend empfunden) a) (ugs.) etw., was dazu dient, etwas nicht Vorhandenes, einen nicht existierenden Sachverhalt vorzuspiegeln: ein grandioser T.; *einen -n bauen(...) stellen (etw. in der Absicht, jmdn. zu täuschen, als wirklich, als echt hinstellen)".
Die typische Angabe "oft als diskriminierend empfunden" weckt den Eindruck, als habe man eine größere Anzahl von Belegen oder Indizien, die eine wenn auch noch so vage statistische Aussage rechtfertigen würden; das ist aber höchstwahrscheinlich nicht der Fall.
Eines der neuesten Wörterbücher von Duden ("Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache" 2003) enthält weder Zigeuner noch Neger, wohl aber das extrem selten gebrauchte Sintiza – womit es dem tatsächlichen Bestand der deutschen Gegenwartssprache keineswegs gerecht wird.
Es genügt aber keineswegs, den Ausdruck Zigeuner durch Sinti-und-Roma zu ersetzen, wie der folgende Vorfall zeigt: Der Deutsche Presserat mißbilligte eine Lokalzeitung, weil sie in einem Gerichtsbericht wahrheitsgemäß erwähnt hatte, daß ein Straftäter bei einer "Sinti-und-Roma-Sippe in Nordrhein-Westfalen" untergetaucht sei.

Die Chefredaktion der Lokalzeitung teilt mit, dass der Prozess geprägt war von besonderen Sicherheitsvorkehrungen, weil es unter Sinti-und-Roma-Familien Drohungen gegeben hatte. Im Verfahren selbst habe sich der Angeklagte mehrfach ausdrücklich als Zigeuner bezeichnet und erklärt, er wolle auch so genannt werden. Obwohl damit die Frage der ethnischen Zugehörigkeit vor Gericht behandelt worden sei, habe die Zeitung diesen Tatzusammenhang nicht für bedeutsam gehalten und auch nicht erwähnt.
Eine andere Frage aber habe geboten, der Verständlichkeit halber einen Sachbezug zu einer Sinti-und-Roma-Sippe herzustellen: Wo könne ein bei einer Straftat erheblich Verletzter einfach untertauchen, um sich über einen längeren Zeitraum seiner Festnahme zu entziehen? Der sehr allgemein und anonym gehaltene Hinweis auf eine Sinti-und-Roma-Sippe in Nordrhein-Westfalen sei weder aus rechtlicher noch aus berufsethischer Sicht als diskriminierend zu bewerten. Es sei nicht erkennbar, wie dieser richtige Hinweis im Sachzusammenhang eine Schlechterstellung, Herabsetzung oder Herabwürdigung bewirken könne.
Dieser Argumentation kann sich der Beschwerdeausschuss nicht anschließen und spricht eine Missbilligung gegen die Zeitung aus.
Sie habe mit der Veröffentlichung des Beitrages gegen das in Ziffer 12* definierte Diskriminierungsverbot verstoßen. Nach Meinung des Ausschusses bestand kein Anlass, zu erwähnen, dass der Komplize des Verurteilten bei einer 'Sinti-und-Roma-Sippe in Nordrhein-Westfalen' untergetaucht sei. Für das Verständnis des berichteten Vorganges war diese Angabe nicht notwendig (vgl. Ziffer 12, Richtlinie 12.1** Pressekodex). Sie ist daher geeignet, Sinti und Roma zu diskriminieren.

*Ziffer 12: Niemand darf wegen seines Geschlechts oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
**Richtlinie 12.1: In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber schutzbedürftigen Gruppen schüren könnte."
Manche Zeitungen helfen sich, indem sie die Täter mit eindeutig konnotierten Namen nennen, etwa so: "Murat (Name von der Redaktion geändert)".
Wie wenig die Diskriminierung eigentlich mit der Sprache zu tun hat, sieht man an den Amerikanern und Berlinern, die man in der Bäckerei kaufen und ohne Gewissensbisse verspeisen kann. Dazu trinkt mancher einen Russen. Hier fehlt das Konfliktpotential, das für die pejorative Bedeutungskomponente unentbehrlich ist.
Statt Eskimo soll man nur noch Inuit sagen. Der Grundsatz, stets die Eigenbezeichnung der Völker zu verwenden, läßt sich allerdings nicht durchführen; man braucht sich das bloß einmal in bezug auf unsere europäischen Nachbarn vorzustellen, und hinzu kommt noch, daß wir die eigentliche Bedeutung von Eskimo('Rohfleischesser') bisher weder kannten noch uns etwas Diskriminierendes dabei dachten (unsere slawischen Nachbarn denken sich ja auch nichts dabei, wenn sie uns als Leute bezeichnen, die nicht richtig sprechen können), ganz abgesehen davon, daß die meisten von uns ein Leben lang keinen einzigen Eskimo zu Gesicht bekommen und schon deshalb keine Gelegenheit haben, ihn zu kränken oder verächtlich zu machen. Und es heißen auch nicht alle Eskimos Inuit, was übrigens, wie so manche Eigenbezeichnung (auch Kanake!), nur 'Menschen' bedeutet; der Singular ist Inuk. Hier entsteht also der Eindruck des Gesuchten oder Konstruierten dadurch, daß eine Reibungsfläche, an der es zur Diskriminierung kommen könnte, viel zu weit entfernt ist.
Wie problematisch das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Sprache werden kann, zeigt das bekannte "Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten" von Lutz Röhrich (Freiburg 1994). Im Vorwort sagt der Verfasser, daß Redensarten Vorurteile zum Beispiel über andere Völker vermitteln. Er habe sie trotzdem aufgenommen, aber:
"Bei einem anderen Stichwort hatte das Herausgeberteam weitaus größere Bedenken. So fehlt ein Stichwort 'Jude, jüdisch'. Die zu diesem Umfeld gehörigen Sprichwörter und Redensarten sind zahlreich. Überwiegend enthalten sie Negativ-Aussagen. Sie sind der sprachliche Niederschlag jahrhundertelanger Judenverfolgung und sie lieferten auch der Nazipresse die sprachliche Munition. Um eine Perpetuierung dieses Wortschatzes nicht zu fördern, um einen eventuellen Rücklauf antijüdischer Sprichwörter und Redensarten in jedem Fall zu verhindern, werden sie hier nicht aufgeführt. (...) Zum Glück sind Redensarten dieser Art aus dem Sprachgebrauch der jungen Generation verschwunden, und sie sollten auch nicht mutwillig wieder aus der Versenkung geholt werden. Dazu wollte dieses Lexikon jedenfalls keine Handreichung bieten." (S. 21)
Andererseits werden frauenfeindliche Redensarten durchaus verzeichnet; sie sollen den Leser "sensibilisieren". Das Lexikon enthält nicht nur gegenwartssprachliches Material, sondern will bei der Lektüre älterer Texte helfen, indem es "heute ausgestorbene Redensarten" erklärt. Der Verfasser distanziert sich auch von Wörterbüchern, die einen Bogen um den obszönen Wortschatz machen.
Der Umgang mit den antisemitischen Redensarten zeigt: Während Röhrich sie kennt und dadurch offenbar keinen Schaden genommen hat, hält er seine Leserschaft für so ungefestigt, daß sie ideologisch beeinflußt werden könnte. (Aber wer erwirbt schon ein mehrbändiges Speziallexikon dieser Art? Skinheads gewiß nicht.) Die Folge ist, daß ein ganzer Teil des beklagenswerten geschichtlichen Hergangs unterdrückt wird: Es hat nie judenfeindliche Redensarten gegeben – vielleicht nicht einmal Juden in Deutschland und auch keinen christlichen Antijudaismus?
Oben hatte ich vermutet, daß wir selbst uns nicht mehr gern an die Untaten der Deutschen gegen die Zigeuner erinnern lassen wollen und daher die herkömmliche Bezeichnung vermeiden. Dem stand entgegen, daß die Sinti und Roma sich selbst nicht gern so genannt wissen wollen. Die Probe aufs Exempel ermöglichen nun die Juden. Auch diese möchten wir wohl am liebsten nicht mehr mit jenem Namen nennen, unter dem wir sie beinahe ausgerottet haben – wenn sie nur nicht selbst in berechtigtem Stolz darauf bestünden, so zu heißen! Nachdem ich mir dies vor einiger Zeit überlegt hatte, stieß ich nun im neuen Duden-Synonymwörterbuch auf folgende Darstellung:
"Gelegentlich wird die Bezeichnung Jude, Jüdin wegen der Erinnerung an den nationalsozialistischen Sprachgebrauch als diskriminierend empfunden. In diesen Fällen werden dann meist Formulierungen wie jüdische Menschen, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger oder Menschen jüdischen Glaubens gewählt."
Hier sieht man zunächst wieder die Ersetzung des Substantivs durch ein Adjektiv, ganz im Sinn meiner früheren Beobachtung.
Außerdem fällt wieder die gewagte Statistik auf: "gelegentlich" werden solche Wörter als diskriminierend empfunden, und unter diesen bestimmt nicht häufigen Fällen wird dann "meist" eine andere Formulierung gewählt. Wie groß mag die Stichprobe sein, die solche Aussagen rechtfertigt?
Aber das wirklich Paradoxe ist die Seelenlage der Nachgeborenen, die aus lauter Schonung die Juden gerade nicht so nennen möchten, wie sie sich selber nennen.
Im Universalwörterbuch heißt es:
"Halb|ju|de, der: a) (nationalsoz.): (in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus) Person mit zwei jüdischen Großelternteilen; b) Person mit einem jüdischen Elternteil (wird gelegentlich als abwertend empfunden)."

Nur in den Augen von Antisemiten kann es eine abwertende Bezeichnung sein, andernfalls wertet es eher den ab, der es gebraucht. In diesem Sinne würde ich auch einen Eintrag aus dem Österreichischen Wörterbuch interpretieren:

"Judentum: Summe der historischen, religiösen und kulturellen Eigenschaften und Merkmale der Juden | (abw.) (im Nationalsozialismus): Wort, das der Verächtlichmachung dienen sollte" (ÖWB, Schulausgabe 39. Aufl. 2001)
Die Nazis haßten das Judentum, aber das Wort Judentum diente nicht der Verächtlichmachung.
Gewissermaßen spiegelbildlich zu den bisherigen Beispielen volkspädagogischer Lexikographie verhält sich der Eintrag zu schwul:
"schwul [eigtl. = ältere Form von schwül; zur Bedeutungsübertragung vgl. »warmer Bruder« (Bruder 4)] (ugs.): 1. a) (von Männern) homosexuell veranlagt, empfindend: -e Freunde; s. sein; b) für einen Homosexuellen charakteristisch, zu ihm gehörend; auf (männlicher) Homosexualität beruhend: -es Empfinden; c) für (männliche) Homosexuelle bestimmt, geschaffen: -e Kneipen, Zeitschriften. 2. (selten) lesbisch." (Duden Universalwörterbuch 2001)
Die Betroffenen haben ja schon vor längerer Zeit damit angefangen, die eigentlich abwertende Bezeichnung gewissermaßen trotzig als Selbstbezeichnung zu übernehmen, um damit die gesellschaftliche Anerkennung zu beschleunigen. Die rechtliche Anerkennung ist weitgehend erreicht, aber die gesellschaftliche Wirklichkeit ist, wie sich z. B. bei einem Wahlkampf in Hamburg zeigte, noch lange nicht so weit, daß schwul zu sein gleichgültig wäre. Das Universalwörterbuch vermerkt genau 3194mal, daß ein Wort "abwertend" sei (und übrigens nur viermal "diskriminierend", nämlich bei Türke und Zigeuner!). Bei schwul fehlt dieser Hinweis, und das ist – solange es noch ein Coming-out gibt – zweifellos sachlich nicht korrekt, mag es auch politisch erwünscht sein. Das Entsprechende ließe sich an lesbisch zeigen; Kultusministerin Schavan sprach von Rufmord, als ihr im Wettbewerb der Präsidentschaftskandidaten nachgesagt wurde, sie neige zum eigenen Geschlecht. In keinem Wörterbuch ist vermerkt, daß darin überhaupt ein Vorwurf enthalten sei.
Ähnlich problematisch sind die Angaben zu behindert; dies ist zwar als Ersatz- und Hüllwort für abwertende Begriffe geschaffen und insofern neutral, aber die im Wörterbuch verzeichnete, als "übertragen" markierte Wendung "du bist doch total behindert! (salopp; verrückt!)" weist in die gegenteilige Richtung und deckt damit die traurige Wahrheit auf, daß Behinderte eben doch oft auf Vorurteile stoßen. Darüber schweigt das Wörterbuch. Während Krüppel gar nicht markiert ist, schreibt das Universalwörterbuch:
"zwer|gen|haft, (seltener:) zwerghaft : 1. auffallend klein[wüchsig] (wird häufig als abwertend empfunden). 2. wie ein Zwerg (1) aussehend.
Das scheint aber reine Spekulation zu sein. Die offiziöse Verpönung von Zwerg und zwergwüchsig wird auf das lediglich vergleichende zwergenhaft übertragen; eigentlich geht es um die objektive Tatsache, daß extremer Kleinwuchs für die Betroffenen unangenehm ist. Der Takt verbietet es aber auch schon, einen Menschen klein (oder dick oder gar fett [DUW: "abwertend"]) zu nennen, weil man damit oft einen wunden Punkt trifft.
Das Wort mongoloid soll abwertend sein. Aber der Duden, der dies behauptet, bietet nicht einmal ein Ersatzwort an; die Paraphrase 'die Merkmale des Downsyndroms aufweisend' kommt ja nicht ernsthaft in Betracht. Ich glaube, viele von uns haben sowohl die Bedenken als auch eine gewisse Ausdrucksnot wegen der so erzeugten Benennungslücke schon selbst empfunden.
Was überhaupt die schonende Bezeichnung von Behinderten aller Art betrifft, so wird Dummheit anders beurteilt als Faulheit. Es gibt ja ein Büchlein mit dem hübschen Titel "Faulheit ist heilbar"; er spielt mit der anerkannten Tatsache, daß Dummheit unverschuldet, Faulheit jedoch durchaus verantwortet und durch Anstrengung überwindbar ist. Man hört auch oft: Mein Sohn ist nicht dumm, nur faul; das Umgekehrte: Mein Sohn ist nicht faul, nur dumm kommt praktisch nicht vor. Faulheit ruft auch nicht nach Ausweichbezeichnungen, Dummheit dagegen sehr wohl: lernschwach, lernbehindert, retardiert usw. - Wilhelm Löhe gründete 1854 eine "Blödenanstalt" in Neuendettelsau, ganz in Übereinstimmung mit dem Gebrauch dieses Wortes bei unseren Klassikern. Die Geschwindigkeit des Sprachwandels läßt sich hier gut erkennen.
Das Synonymwörterbuch beanstandet auch Hasenscharte: "Diese umgangssprachliche Bezeichnung für eine Fehlbildung der Oberlippe wird heute meist als abwertend empfunden. Eine neutrale Ausweichform ist Lippenspalte; der medizinische Fachbegriff lautet Cheiloschisis."
Hasenscharte ist laut Wortliste des Axel Springer Verlags (HA 2005) verpönt und zu meiden, wie Neger usw.

Der Grund einer möglichen Beanstandung dürfte hier in der Tiermetapher liegen, aber bei Zwerg und Mongole liegt eine solche Erklärung nicht unbedingt nahe.
Zu taubstumm meint das Synonymwörterbuch:
"Die früher übliche Bezeichnung taubstumm sollte nicht mehr verwendet und auf Wunsch der Betroffenen durch gehörlos ersetzt werden. Durch den Wortbestandteil 'stumm' wird die Unfähigkeit zu sprechen unterstellt. Dieses kann jedoch spätestens seit Anerkennung der Gebärdensprache nicht mehr als Bezeichnungskriterium verwendet werden."
Sowohl die Beziehung auf die Anerkennung der Gebärdensprache als auch die Deutung aus der Wortbildung sind fragwürdig.

Daß auch das Wort normal nicht verwendet werden soll, mag zunächst überraschen. Das Synonymwörterbuch sagt dazu: "In seiner älteren Bedeutung 'geistig gesund' sollte das Wort normal im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werden. Das gilt besonders dann, wenn es als Gegensatzwort zu 'geistig behindert' gemeint ist."
Damit geht die Sprachlenkung eine Stufe weiter, denn die Vermeidung von normal gilt ja nicht der Schonung der damit Bezeichneten, sondern der Schonung jener, von denen man sie unterscheiden möchte. Das neue Grundwort ist behindert, alle anderen definieren sich über die Behinderten als Nichtbehinderte.

Durchgreifender hat der Feminismus die Wörterbücher verändert. Feministinnen haben schon vor langer Zeit die Komik der Beispielsätze in Sprachbüchern entdeckt, etwa nach dem Muster Der Vater liest die Zeitung, die Mutter liest Erbsen. Die Dudenredaktion hat sich beeilt, ihre männliche Schlagseite zu korrigieren. Im Universalwörterbuch mußten viele Stichwörter weichen zugunsten von 5.204 weiblichen Personenbezeichnungen wie Branntweinbrennerin, Buhruferin, Chiliastin, Durchwanderin, Epigraphikerin, Erbsenzählerin, Fanbetreuerin, Fassadenkletterin, Filzokratin, Garnelenfängerin, Herrgottsschnitzerin, Insurgentin, Interventionistin, Kolonnenspringerin, Körnerfresserin, Leichenschänderin, Moritatensängerin, Neuhegelianerin, Plapperin, Punktelieferantin, Schrotthändlerin, Topfguckerin, Transplanteurin, Trassantin, Vizeadmiralin, Zinkerin ... Einige davon habe ich auch in sehr großen Textkorpora nicht finden können und bezweifle, daß die Dudenredaktion über Belege verfügt. Ihre Anführung widerspricht dem Auftrag des Wörterbuchs, den Wortbestand, nicht aber die Wortbildungsmöglichkeiten wiederzugeben. Dieser Einwand entfällt allerdings beim neuen Duden-Synonymwörterbuch von 2004, das denn auch mit der vollständigen Eintragung movierter Formen am weitesten geht, indem es nicht nur dem Hosenschisser die Hosenschisserin beigesellt, sondern sogar dem Beckmesser die Beckmesserin, über die sich Richard Wagner wohl gewundert hätte.
Bertelsmann tilgte 1996 Tippse und Emanze aus dem Rechtschreibwörterbuch, aber in der Neubearbeitung von 2002 sind sie wieder da.
Der feministische Ansatz beruht auf sprachwissenschaftlich fragwürdigen Voraussetzungen. In der neuen Prüfungsordnung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen für den Grad eines Bakkalaureus Artium (Entwurf vom 9. 1. 2001) heißt es:
"Vorbemerkung zum Sprachgebrauch
Die Bezeichnung weiblicher und männlicher Personen durch die jeweils maskuline Form in der nachstehenden Satzung bringt den Auftrag der Hochschule, im Rahmen ihrer Aufgaben die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung von Mann und Frau zu verwirklichen und die für Frauen bestehenden Nachteile zu beseitigen, sprachlich nicht angemessen zum Ausdruck. Auf die Verwendung von Doppelformen oder andere Kennzeichnungen für weibliche und männliche Personen (z. B. Bewerberin/Bewerber) wird jedoch verzichtet, um die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit zu wahren. Mit allen im Text verwendeten Personenbezeichnungen sind stets beide Geschlechter gemeint.
Dieser Text ist widersprüchlich. Einerseits behauptet er, daß die neutrale Verwendung des generischen Maskulinums gegen die Gleichberechtigung verstoße, andererseits bedient er sich dann aber doch dieses Mittels, bestreitet also die neutrale Verwendbarkeit des grammatischen Maskulinums keineswegs.
Zu welcher Art von Texten die "geschlechtergerechte" Sprache führt, zeigt auch dieses Beispiel:
Der/die Lernende hat die Aufgabe, für eine ausscheidende Arbeitskollegin eine Abschieds-Party zu organisieren. Er/sie bespricht mit einem Kollegen/einer Kollegin, mit dem/der zusammen er/sie das Fest plant, was alles zu tun ist. ...Er/sie kann sich mit ihrem/seinem Gesprächspartner bzw. seiner/ihrer Gesprächspartnerin darüber abstimmen ... Im Verlauf dieses Gesprächs kann er/sie Vorschläge und Gegenvorschläge einbringen, sein(e)/ihre(n) Partner/in nach dessen/deren Meinung fragen und auf dessen/deren Vorschläge reagieren. (Zertifikat Deutsch – Lernziele und Testformat. Hg. von Weiterbildungs-Testsysteme GmbH, Goethe-Institut, Österr. Sprachdiplom Institut, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren. Frankfurt 1999. S. 49f. - Auf der Rechnung für dieses Buch steht KundInnennummer. Wahrscheinlich glaubt das Unternehmen, daß in Kundennummer ein maskulines Substantiv steckt; in Wirklichkeit ist es der Stamm mit einem Fugenelement.)

Das Synonymwörterbuch schlägt einen Ausweg aus der selbstgestellten Falle vor:
"Um gehäuftes Auftreten der Doppelform Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vermeiden, können je nach Kontext die Ausweichformen Belegschaft oder Kollegium gewählt werden."

Das Sprechen in "Ausweichformen" kann noch ungeahnte Dimensionen annehmen.
Der linguistische Feminismus würde eine eigene Abhandlung verdienen; deshalb breche ich hier ab.

Zusammenfassend könnte man sagen:
Es gibt eine große Menge von Bezeichnungen, die explizit der Herabsetzung, Beschimpfung und Beleidigung dienen, wie Gauner, Schlampe, Arschloch. Das gehört zu ihrer Bedeutung und sollte nicht in eine zusätzliche stilistische oder pragmatische Kennzeichnung abgeschoben werden.
Bei Itaker, Japs, Fidschi, Nigger, Emanze, Kathole wird die herabsetzende Wirkung durch Verzerrung der normalen Bezeichnung, also gewissermaßen ikonisch, erreicht. Hier ist der sachliche Kern von der Markierung getrennt aufzuführen, da sie mit der Normalbezeichnung gewissermaßen ein kleines Synonymenfeld bilden.

Neger, Zigeuner sind herabsetzend aufgrund einer historischen Entwicklung, wobei im Falle der Schwarzen noch eine übermächtige ausländische Diskussion hinzukommt, die eine Eigenentwicklung für das Deutsche praktisch ausschließt.



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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2018 um 05.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#39213

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#16374

„In den Tropen gibt es Negersprachen, die 50 bis 60 Namen für verschiedene Palmenarten besitzen, aber kein umfassendes Wort für die Palme.“ (Karl Vossler: Volkssprachen und Weltsprachen. München 1946:11)

Und diese Neger kommen nun alle nach Europa, so daß es zu einem Zeitpunkt, den man genau berechnen kann, hierzulande nur noch Stehplätze geben wird. (Danke, Frau Merkel!)

Zum Linguistischen Relativitätsprinzip gibt es jetzt auch einen etwas anderen kritischen Ansatz:
Christian Greiffenhagen/Wes Sharrock: Linguistic relativism: Logic, grammar, and arithmetic in cultural comparison. (Language and Communication 27, 2007:81-107)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2018 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#37904

Auch GmbH, AG, KG dürften mitspielen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 21.02.2018 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#37903

Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß die Duden-Redaktion oder was davon übrig ist, überwiegend weiblichen Geschlechts ist?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 21.02.2018 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#37896

Mir ist klar, daß diese Praxis älter ist (wir haben hier auch schon darüber gesprochen), aber ich halte eine Verschränkung beider Phänomene für möglich in einer Zeit, da wir tagtäglich mit ungewöhnlichen Feminina bombardiert werden und etwa in Österreich Broschüren mit dem Titel »Studienführerin« (nicht: StudienführerIn) herausgegeben werden. Außerdem habe ich den Verdacht, daß die Dudenreaktion (daher auch die Plazierung meines Beitrags in diesem Strang) in ihrem ideologischen Eifer gar nicht mitbekommt, wie viele zweifelhafte Ergebnisse die undifferenzierte Ergänzung männlicher Personenbezeichnungen um eine weibliche Variante hervorbringt. Ich kann nicht in die Köpfe der Beteiligten hineinschauen, aber es würde mich schon interessieren, ob sie beispielsweise bei Autobauerin an eine Frau oder an eine Firma oder beides gedacht haben. Die Einträge sprechen für eine mechanische Vorgehensweise (starres Schema: »weibliche Form zu X«) und helfen dem Benutzer nicht weiter. Es fehlen ja auch fast immer einschlägige Beispiele.

Übrigens denke ich bei Airbus, Opel und Siemens zunächst eher nicht an das Wort »Firma«. Jedenfalls würde ich nie »die Flugzeugherstellerin Airbus«, »Opel und ihre Mitarbeiter« oder »Siemens ist die Siegerin der Verhandlungen« sagen, auch wenn man im Zusammenhang mit Unternehmen immer von Töchtern und Müttern spricht. Wenn ich sage »Opel und seine Mitarbeiter«, steckt dann nicht am ehesten ein Neutrum (das Unternehmen) dahinter? Ist es überhaupt sinnvoll, mit solchen unterstellten Assoziationen zu arbeiten, wenn dies zu so widersprüchlichen Ergebnissen führt (die Tochter, ergo Unternehmen sind weiblich; Bosch und sein Vorstand, ergo Unternehmen sind sächlich)?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2018 um 04.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#37891

Das ist wohl – wenigstens der Sache nach – schon älter und läßt sich als Kongruenzerscheinung allenfalls rechtfertigen. Zugrunde liegt die metaphorische "Sexualisierung" der Firma (feminin) und ihrer Töchter (nur so, nie Söhne). Wie weit das dann in die Wiederaufnahme und Weiterführung der Metapher fortgesetzt wird, schwankt meinem Eindruck nach von Text zu Text. Irgendwann fällt der Verfasser meistens ins generische Maskulinum zurück, wie umgekehrt beim Mädchen ins biologische Femininum.

Gendern läge erst eindeutig vor, wenn jemand von Flugzeugherstellern und -herstellerinnen spräche.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.02.2018 um 21.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#37890

Was ist wohl eine Flugzeugherstellerin? Eine Frau, die Flugzeuge herstellt? Siemens bezeichnet Airbus als eine solche (https://www.siemens.com/press/de/pressebilder/?press=/de/pressebilder/2012/infrastructure-cities/building-technologies/soicbt201204-01.htm&content[]=ICBT&content[]=BT), und auch die ZEIT hat das Wort einmal auf eine Firma angewendet, die Flugzeuge baut (http://www.zeit.de/1965/45/zeitspiegel/seite-5).

Selbstverständlich ist auch Duden (Großes Wörterbuch) wieder mit von der Partie. Er (sie?) hat die Flugzeugherstellerin ebenso gelistet wie die Flugzeugbauerin (immerhin nicht -bäuerin) – ohne jede Erläuterung, versteht sich, Hauptsache, die weibliche Form wird »sichtbar« gemacht.

Wohin soll das alles führen? Zur Providerin? Die gibt es schon, sogar in Vertragstexten. Die Browserin wird sich wohl nicht so schnell durchsetzen, aber man sollte mit Prognosen vorsichtig sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2017 um 07.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#37077

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#33132

In der Neuauflage des Synonymwörterbuchs heißt es zu Leichenwagen:

"Die Bezeichnungen Bestattungswagen und Überführungswagen setzen sich deshalb immer mehr durch."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.08.2016 um 17.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#33132

„Sprachtipp:
Gelegentlich wird kritisiert, dass das Wort Leichenwagen Verstorbene ihrer Persönlichkeit beraube und sie zu einer Sache degradiere. Die vorgeschlagene Ausweichform Bestattungswagen hat sich bisher aber außerhalb der Fachsprache kaum durchgesetzt.“
© Duden – Das Synonymwörterbuch, 3. Aufl. Mannheim 2004 [CD-ROM]

Aber Leichen sind doch keine Persönlichkeiten mehr, sonst würde man sie ja nicht in der Erde versenken oder verbrennen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 03.12.2015 um 13.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#30732

Lieber Herr Metz, vielen Dank für den Hinweis auf Ihren damaligen Beitrag im Forum, den ich nur weiterempfehlen kann.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 01.12.2015 um 09.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#30718

Lieber Herr Wrase, einige weitere Beispiele für solche »Lücken« finden Sie in diesem Beitrag: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=89#836 sowie in einigen Folgebeiträgen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2015 um 05.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#30716

Das könnte an der Unbedarftheit der Hilfskräfte liegen, an die das Durchgendern der Wörterbücher ausgelagert worden ist. Man denke an den Spätgebährenden des Wahrig. Die Guelfen und Ghibellinen waren ihnen vielleicht zu hoch, so daß sie gar nicht bemerkt haben, daß es da was zu gendern gibt.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.12.2015 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#30714

Zu Branntweinbrennerin, Buhruferin, Chiliastin, Durchwanderin, Epigraphikerin, Erbsenzählerin etc. im Duden: Bei Duden online steht der Guelfe noch ganz allein da. Keine Guelfin. Die Ghibellinin gibt's auch nicht. Für beide Wortformen gibt es Belege. Haben wir solche Lücken im durchgegenderten Duden schon irgendwo diskutiert?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 21.05.2015 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#28939

Es kommt auch vor, daß der US-Außenminister »Staatssekretär« genannt wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2015 um 08.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#28938

Das Beharren unserer Journalisten auf der Obama-Administration oder US-Administration empfinde ich schon als recht störend. Es sind ja auch nicht alle wißbegierigen Leser so aufgeklärt, daß sie das durchschauen und nicht etwa annehmen, andere Länder hätten Regierungen, nur die USA nicht. Man muß auch nicht wissen, daß Israels Parlament Knesset heißt. Rationaler, sparsamer und verständlicher wäre es, alle Parlamente eben so zu nennen, auch in Deutschland, Norwegen usw.
Wir alten Hasen übersehen oft, wieviel unnützes Zusatzwissen erforderlich ist, um auch nur die Zeitung zu lesen. Begleitet man Kinder auf ihrem Weg, wird es einem erst wieder bewußt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2014 um 19.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#25724

Ziemlich komisch wirkte es, als das Duden-Universalwörterbuch 2001 vermerkte, Nigger sei ein "veraltetes Schimpfwort". Worin besteht denn hier das Veralten? Daß man das Wort nicht einmal mehr zum Schimpfen gebrauchen kann?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2013 um 07.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#23342

Noch einmal zur Roten Zora:

In einem Blog des "Freitag" wurde kürzlich vorgeschlagen: Sie waren in Curcins Kamin schwarz wie die Raben geworden.

Das ist sicher die Fassung der Zukunft, denn bei den "Afrikanern" kann es nicht bleiben.

Die meisten Kinder kennen freilich keine Raben. Aber schließlich kennen die Sprachreiniger auch kein Bohnenstroh.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2013 um 05.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#23321

Gut beobachtet. Aber eben, "gewählt" ist es doch. Anders geht es nicht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.06.2013 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#23320

Das ist kein schlecht gewähltes Datum. Auf diese Weise werden die Ungarnflüchtlinge von 1956 ebenso wie die ersten Gastarbeiter der späten fünfziger Jahre mitgezählt, nicht aber die Volksdeutschen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit zuwanderten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.06.2013 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#23318

Der neueste Zensus schreibt jemandem einen Migrationshintergrund zu, wenn er selbst oder wenigstens einer seiner Elternteile nach 1955 nach Deutschland gekommen ist. Das zeigt noch einmal die Willkür.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.05.2013 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#23199

Es erhebt sich die berechtigte Frage, wieviele Generationen nach der Einwanderung jemandem der "Migrationshintergrund" anhängt. Alle alteingesessenen Europäer sind vor Jahrtausenden aus Vorderasien eingewandert und dorthin lange davor aus Afrika mit dunkler Haut- und Augenfarbe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2013 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#23197

Als die Habilitationsschrift von Imanuel Geiss über den "Panafrikanismus" erschien (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Aktion in München), brachte die ZEIT eine wohlwollende Besprechung, in der noch ganz unbefangen von "Negern" gesprochen wurde (www.zeit.de/1969/12/panafrikanismus-ein-traum). Man muß ab und zu daran erinnern, wie jung die PC-Bewegung noch ist.

Die Münchner Panafrikanisten erinnern zur Zeit daran, wie sie vor einigen Jahren die Umbenennung eines Getränks erreicht haben. Sie meinen nun, sie würden aus rassistischen Gründen in vielen Clubs und Discos nicht eingelassen, und wollen etwas dagegen tun. Das ist aber nicht so einfach wie bei den Namen von Speisen und Getränken. Auch Straßennamen aus der Kolonialzeit stehen auf dem Programm. Das ist dann wieder einfacher, wie man am Ehepaar Mendelssohn sieht, weil hier weder Hausrecht noch Vertragsfreiheit betroffen sind.

Erheiternd ist auf der anderen Seite, wie der Bayerische Rundfunk die Angelegenheit darstellt:

Für Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund bleiben die Clubtüren sehr häufig verschlossen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2013 um 10.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#22565

Über einen neuen Film berichten die Medien so:

Inuk, ein junger Inuit, lebt mit seiner Mutter in der grönländischen Hauptstadt Nuuk. (Eckhard Fuhr in der Welt 7.2.13)
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 25.10.2012 um 07.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#21779

Kleine Korrektur. "Synagoge" und "Thora" (aber nicht "Tora") sind aufgeführt.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 25.10.2012 um 07.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#21778

Das "Amtliche Wörterverzeichnis", das ja keine "anstößigen" Wörter aufführen durfte, enthält z.B. "Neger", "taubstumm" oder "Zigeuner". "Türke", "türken", "Jude" und "jüdisch" sowie praktisch jedes Wort mit Bezug zur jüdischen oder muslimischen Kultur in Deutschland fehlen hingegen, was das Hinterwäldlerische dieser Liste noch einmal unterstreicht.

Immerhin ist "Moschee" enthalten, aber weil irgendwelche rechten Spinner die Bezeichnung für ein muslimisches Gotteshaus als Schimpfwort verwenden, könnte auch dies in den Wörterbüchern irgendwann mit einem Warnhinweis versehen werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2012 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#21774

Zu #15153:

Seither hat sich was getan:

Die Vlies-Schleifscheibe hat schwammartiges Schleifgewebe, das mit dunklem Kunstharz getränkt wurde. Die Oberfläche ist zwar hart, aber nachgebend. Das Aussehen erinnert an ein dunkles Gebäckteilchen, die Schleifschiebe wird deshalb auch, politisch nicht korrekt, „Negerkeks“ genannt. (Wiki: Schleifscheibe)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.01.2012 um 08.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#19966

Nach gut zwei Jahren empirischer Forschung kommen die Wissenschaftler zu folgender Einsicht:

"Vor allem von Rechtsextremisten werde Antisemitismus verbreitet – er sei dort ein bedeutendes ideologisches Bindeglied. "Das wird insbesondere durch die Tatsache unterstrichen, dass mehr als 90 Prozent der antisemitischen Straftaten von Tätern begangen werden, die diesem Spektrum zuzuordnen sind", sagte der Wissenschaftler Peter Longerich." (ZEIT 26.1.12)

Wer hätte das gedacht!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2012 um 15.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#19927

Die Antisemitismusforscher haben herausgefunden, daß ein Fünftel der Deutschen latent antisemitisch ist. „In Schulen gehöre das Schimpfwort "Jude" vielerorts schon fast zum Allgemeingut.“ (SZ 23.1.12 online, nach dpa)

Da haben wir es noch einmal schwarz auf weiß: Jude ist ein Schimpfwort ...

Vielleicht zeichnet sich hier auch eine Lösung für Zigeuner ab: Die Juden und Zigeuner nennen sich in Zukunft selbst so, aber jeder andere muß Ausweichvokabeln benutzen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.12.2010 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#17409

»Die Inuits begehen die lichtlosen Tage zwischen den Jahren auf ganz besondere Weise: Sie schlafen tagsüber und besuchen sich gegenseitig in der Nacht.« (Jürg Altwegg über Eskimos)
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 14.06.2010 um 12.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#16376

Die sprachpolizeiliche Hygiene: ein freundlicher Euphemismus für skandalöse, die Sprache gleichschaltende Machenschaften.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2010 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#16374

„Nach E. Rothacker (...) kennt der Neger 500-800 Bezeichnungen für Wüstenbraun.“ (Wilhelm Lang: Probleme der allgemeinen Sprachtheorie. Stuttgart 1969:48)

Die abenteuerliche Vermehrung der Wörter für Schnee bzw. Sandfarben in der Fach- und Popularwissenschaft ist ja inzwischen oft kommentiert worden, aber diese Spitzenleistung der "Neger" sollte einmal erwähnt werden.

Wer Spaß an logischen Kapriolen hat, sollte sich auch einmal ansehen, wie paradox die Argumentation der Menschenrechtler wird, wenn sie einerseits den Rasse-Begriff beseitigen, andererseits den Rassismus bekämpfen wollen. Es gibt auch abwägende und sehr vernünftige Stellungnahmen dazu, allerdings fast nur aus dem englischsprachigen Ausland.

(Keine Bange, ich werde dieses Faß nicht aufmachen! Es interessiert mich auch nur insofern, als wieder mal die Sprachkritik an die Stelle der Sachkritik geschoben und den Wörtern einfach zu viel aufgeladen wird. Die um sich greifende sprachpolizeiliche Hygiene macht uns das Leben schwer und schwerer.)
 
 

Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 09.04.2010 um 22.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15969

Als BR Maurer in einem Referat den Begriff "Ich bin doch nicht der Neger" verwendete, wurde er von Georg Kreis sofort als Rassist tituliert, obwohl der Ausspruch (wenigstens bei uns in der Schweiz) eine völlig andere Bedeutung hat.

Im Tagesanzeiger vom 09.04.2010 unter Kultur / Diverses
ein Artikel unter dem Titel

„Keine Mauschelei um den gestampften Juden“

Welche Wörter sind rassistisch, welche nicht? Ein Onlineglossar der Stiftung gegen Rassismus klärt auf – und bringt Überraschendes zum Sprachgebrauch zu Tage.

Ob Herr Kreis am Träumen ist? Oder hat es ihm ganz einfach nur seine Sprache verschlagen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 14.12.2009 um 12.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15416

Wenn "Franzosenzeit" nicht mehr politisch korrekt sein soll, müßte auch Fritz Reuters berühmter niederdeutscher Roman "Ut de Franzosentid", hochdeutsch übersetzt "Aus der Franzosenzeit" irgendwie umgeschrieben werden. Ist das etwa ein Grund, warum der lustige Fernsehfilm darüber nicht mehr gezeigt wird? Der Film wurde in der DDR gedreht und wurde dadurch berühmt, weil ab und zu ein Moped durchs Bild fährt.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 13.12.2009 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15414

Die Reihe der Beispiele läßt sich beliebig fortsetzen. So kam mir neulich bei der Übersetzung des niederländischen Begriffs Franse tijd (wörtlich: französische Zeit) das Wort Franzosenzeit in den Sinn. Offenbar ist aber auch dieser Begriff längst tabu. Wikipedia berichtet: »Mit Franzosenzeit wurde bislang die Epoche der französischen Besetzung und Annexion deutscher Gebiete während der Napoleonischen Kriege bezeichnet. Heute ist der Begriff eher negativ besetzt und wird daher von der Forschung zurückhaltender verwendet, wobei ein allgemeiner adäquater Ersatzbegriff (etwa „Französische Zeit“) sich noch nicht durchgesetzt hat.« Ja so ein Pech aber auch! Ich mochte nichts beitragen zur Verbreitung eines »adäquaten Ersatzbegriffs« und habe schlicht Franzosenzeit geschrieben. Und, nein, ich habe nichts gegen Franzosen. Auch nichts gegen Französinnen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 13.12.2009 um 20.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15412

Bei der Zeitung, für die ich einmal gearbeitet habe, war es verboten, von "Vandalismus" oder "Vandalen" zu schreiben. Das Beispiel zeigt, vielleicht noch besser als das der Eskimos, wie wenig es bei der politischen Korrektheit um den Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung geht und wie sehr darum, den Zeigefinger zu heben und "pfui" zu sagen – also letztlich darum, einen Autoritätsanspruch geltend zu machen. In diesem Fall war es ein neuer Redaktionsleiter gewesen, der sich das Verbot hatte einfallen lassen.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, Den Haag, verfaßt am 12.12.2009 um 23.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15409

Neues aus dem Reich der Korrekten: Die Leitung der hiesigen Fachhochschule, der Haagse Hogeschool, beschloß kürzlich, in diesem Jahr aus Rücksicht auf die vielen »nichtwestlichen« Studenten – pardon: Studierenden – keinen Weihnachtsbaum im Atrium des Hauptgebäudes aufstellen zu lassen, und löste damit einen ungeahnten Proteststurm aus. Im Parlament gab es Anfragen von Abgeordneten, die die Maßnahme als absurd bezeichneten; viele Studenten äußersten ihren Unmut und kündigten an, selbst einen Baum zu kaufen und aufzustellen. Schließlich griff der Bildungsminister zum Telefon und stellte die Hochschulleitung zur Rede. Dabei erwies sich, daß der Beschluß keineswegs eine Reaktion auf etwaige Proteste von seiten der Studenten gewesen war – die habe es nämlich überhaupt nicht gegeben –, sondern auf eigenen Überlegungen der Verantwortlichen beruhte. Man habe, so die Auskunft der Pressestelle, die Bindung der Studenten an alte Traditionen unterschätzt. Im übrigen stünden in der Hochschule, auf alle Abteilungen verteilt, insgesamt 82 Christbäume.

Da bleibt einem nur noch, allen Beteiligten eine frohe Weihnacht zu wünschen.
 
 

Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 23.11.2009 um 21.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15313

BBC kämpft mit der "political correctness"

Frau Carol Thatcher, Tochter des früheren britischen Regierungschefs in 10 Downing Street, auch Eiserne Lady genannt, musste sich im Februar 2009 von der BBC trennen. Der Vorwurf gegen sie lautete Rassismus, weil sie als Moderatorin einen Tennisspieler mit einer „Negerpuppe“ verglich.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 11.11.2009 um 15.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15248

Und was ist, wenn die Oma oder der Opa dem Kind die Sprache beigebracht haben?
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 11.11.2009 um 13.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15247

Die Bewegung des linguistischen Feminismus wird gegen Muttersprache sicherlich nichts einzuwenden haben.
Im Zeitalter auch vorhandener alleinerziehender Väter sollte es aber auch die Vatersprache geben, in Wort und Schrift.
Als männliches Individuum bestehe ich darauf!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.11.2009 um 11.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15245

Heute bin ich in der Süddeutschen Zeitung mal einem "Inuk" begegnet, und zwar auf jener "Panorama"-Seite, wo man täglich die kaum nachprüfbaren und auch völlig gleichgültigen Geschichten lesen kann, von Teenagern, die ganz allein die Welt umsegeln usw. Diesmal ging es um einen kanadischen Jüngling, der auf der Eisbärenjagd war und mit einer Eisscholle davongetrieben wurde, schnell noch eine Eisbärenmutter schoß, aber deren Kinder verschonte, nach zwei Tagen gerettet wurde usw. Das war also ein Inuk. Wie viele Leser können wohl etwas damit anfangen?
 
 

Kommentar von Calva, verfaßt am 23.10.2009 um 17.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15153

In der Auflistung fehlt auch noch der in Schrauberkreisen beliebte gute alte Negerkeks (das Ding heißt wirklich so, www.negerkeks.de).

Möglicherweise ist der Sprachpolizei das noch nicht aufgefallen, weil sie sich selten in den Baumarkt verirrt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.10.2009 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15151

Zimmers "Wortlupe" ist im allgemeinen gut geschrieben, aber über einen Satz bin ich doch gestolpert: Unter all den persönlichen Ansprachen den Vogel ab schoss das Plakat mit der Aufschrift „Wir müssen miteinander reden. – Gott“.
 
 

Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 23.10.2009 um 01.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15150

Wurden die Wörter

- Negerfrage
- Negersklave
- Negersänger
- Negerkaffee
- Negerfisch
- Negerkorn
- Negerpfeffer

auch umbenannt? Wenn ja, wie nennt man diese? Wenn nicht, warum sind diese nicht diskriminierend?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2009 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15148

Zimmers "Wortlupe" (Hoffmann und Campe) ist übrigens in einer Hausorthographie verfaßt, die ich noch nicht näher identifizieren konnte. Er schreibt einerseits nach Heyse, auch aufwändig, andererseits Quentchen, im übrigen, Tertium comparationis. Wem damit gedient sein soll, weiß ich nicht. Seine Beobachtungen sind überwiegend recht gut. Vielleicht komme ich noch mal darauf zurück.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 22.10.2009 um 08.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15141

(Oh, ich sehe gerade, daß Herr Ickler den Fall »Negerkuss (veraltend)« in seinem Tagebucheintrag bereits erwähnt hatte. Ich stieß erst gestern abend auf dieses Kuriosum, als ich nach einer Ankündigung des Spielfilms »Schaumküsse« in der ARD im Duden nachschlug.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 21.10.2009 um 22.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15140

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hat die Dudenredaktion das Allerweltswort »Negerkuß« (bzw. »Negerkuss«) in der aktuellen Auflage ihres Rechtschreibwörterbuchs als »veraltend« gebrandmarkt. Ich bin ganz sicher, daß diese Markierung nicht auf Sprachbeobachtung basiert. Noch nie habe ich einen Menschen aus Fleisch und Blut Wörter wie »Schokokuß« oder »Schaumkuß« sagen hören. Gelegentlich erlebe ich, daß jemand von Negerküssen spricht und dann leicht verunsichert nachschiebt: »Das soll man ja heute wohl nicht mehr sagen.« Das ist aber allenfalls ein Beleg dafür, daß das Wort quicklebendig ist, daß aber die vielen, die es verwenden, mitbekommen haben, daß einige wenige es aus irgendeinem Grund nicht mögen. Wenn die rührigen Sprachlenker weiter so eifrig agitieren wie bisher, könnte ihnen die angestrebte Umerziehung der »Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhaber« tatsächlich gelingen. Dann wäre das Wort wirklich irgendwann obsolet. Eine Wörterbuchredaktion sollte aber den Status quo dokumentieren und nicht einen von einer Minderheit für wünschenswert gehaltenen Zustand.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2009 um 10.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15100

Zimmer geht in seiner Liste nicht auf die Feinheiten ein, aber als anerkannter Übersetzer und hervorragender Kenner der englischen Sprache wird er das wohl wissen – es ist ja vergleichsweise elementar. Ich habe Zimmer wegen seiner orthographischen Tätigkeiten und oft wiederholten Fehldeutungen scharf kritisiert, aber auf anderen Gebieten schätze ich ihn sehr.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 16.10.2009 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15099

Um Herrn Icklers Verweis auf Zimmer noch einmal aufzugreifen: Die Liste der "falschen Freunde" ist teilweise fehlerhaft:

"administration" kann sehr wohl auch "Verwaltung" oder "Administration" bedeuten, "alley" auch "Allee" oder "curious" auch "kurios" etc.

Typische Besserwisserei eben, nur will Herr Zimmer es offensichtlich nicht nur besser als die deutschen Muttersprachler wissen (wie im Fall seiner Belehrungen zur RSR), sondern auch noch diejenigen, deren Muttersprache Englisch ist, korrigieren. Liest der Mann denn keine englischsprachigen Zeitungen und Bücher?
 
 

Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 16.10.2009 um 07.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15098

Sind die Farbadjektive schwarz und weiss denn überhaupt Farben?
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 15.10.2009 um 23.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15097

... oder auch Stecker und Buchse; und die Antwort auf die Frage, was denn was sei, lautet: „Wie in der Natur.“
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 15.10.2009 um 19.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15096

"[...] und war nie anders gemeint": Nein, das stimmt nicht ganz. Es gibt im amerikanischen Süden Dialektgebiete, wo "nigger" die ganz natürliche (also sprachgesetzmäßige) Aussprache von "Negro" ist. (So jedenfalls mein früherer Lehrer Harold B. Allen an der University of Minnesota in einem Seminar.)

Zu "Mönch-Nonne-Ziegeldächer": Da sprechen die amerikanischen Klempner von "male" und "female" Enden ihrer Rohre und wie sie also zusammenpassen, und jedem Heimwerker sind "screws" und "nuts" anschauliche Begriffe, wobei letzteres ja sehr verdächtige Nähe zu einem deutschen Wort anklingen läßt, wo wir doch nur von Schrauben und Muttern reden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.10.2009 um 09.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15095

Aber "Nigger" ist trotzdem ein Schimpfwort und war nie anders gemeint. Daß die Diskriminierten es ironisch auf sich selbst anwenden, ändert nichts. Man kann es einfach nicht gebrauchen.
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 14.10.2009 um 23.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15094

Nicht zum erstenmal höre ich davon, daß es in den USA Gruppen gibt, die sich selbst als Nigger bezeichnen, z.B. die Gay Nigger Association of America -GNAA- vgl. http://www.gnaa.us/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.10.2009 um 17.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#15093

Zu den "Zigeunern" hat, wie ich gerade sehe, Dieter E. Zimmer in seinem Buch "Wortlupe" so ziemlich das Richtige gesagt:
http://www.dezimmer.net/HTML/wortlupe2006.htm
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 07.08.2009 um 22.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14895

Für mich ist "nicht politisch korrekt" nur ein politisch korrekter Ersatz für "aus falsch verstandener Rücksichtnahme tabuisiert".
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 05.08.2009 um 08.54 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14884

... und erst die Mönch-Nonne-Ziegeldächer.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 04.08.2009 um 19.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14883

Im Gegensatz zu Angehörigen exotischer Völkchen (hoffentlich ist das jetzt nicht herabwürdigend formuliert) scheint sich die Kirche früherer Zeiten offenbar nicht so schrecklich gekränkt gefühlt zu haben, daß ein Vogel als Dompfaff, ein Strauch als Pfaffenhütchen und ein Kaffee als Kapuziner bezeichnet wurden. Hatte man damals noch ein humorvolles Stehvermögen? Oder täusche ich mich mit dieser Einschätzung?
 
 

Kommentar von Hobby-Polonist, verfaßt am 29.07.2009 um 14.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14866

Schon weniger peinlich wäre die grammatisch korrekte Frage
"Czy Pan jest Polakiem?", weil an der Stelle der Instrumental zu stehen hat. Bei einer Dame: "Czy Pani jest Polką?"
Allerdings erwarten Polen von Deutschen im allgemeinen keine Kenntnisse ihrer Sprache, sondern freuen sich über jeden noch so inkorrekten Versuch...
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.07.2009 um 21.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14865

Man traut sich kaum, einen Polen zu fragen: Czy pan jest Polak? (Sind Sie {wörtl. Ist der Herr} ein Pole?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.07.2009 um 17.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14864

Der Kolonialismus und die Sklaverei waren ein gewaltiges Unrecht, das freilich nicht nur Schwarzafrikanern angetan wurde. Darüber braucht man nicht zu diskutieren, und darum geht es auch gar nicht.
Der Brief an Minister Hermann ist nicht hinnehmbar. Schon die Unterstellung, der bayerische Staat "billige wissentlich" die Diskriminierung von Afrikanern, ist eine Unverschämtheit. Er verrät ein undemokratisches, geradezu verfassungswidriges Staatsverständnis. Dazu paßt die kaum verhüllte Forderung nach Strafbarkeit von Meinungsäußerungen mißliebiger Zeitgenossen.
"Die Beleidigung „Neger“ verletzt die Würde aller Afrikaner und Afrikanerinnen und allgemeinhin Menschen afrikanischer Herkunft." Das ist gezielte Begriffsverwirrung. In Afrika leben viele Millionen Menschen nicht-schwarzer Hautfarbe, die niemand "Neger" nennen würde. Es bleibt dabei, daß der Panafrikanismus sich über die Hautfarbe definiert, nicht über die afrikanische Herkunft, und daher eine Form des Rassismus ist.

"... dass Rassismus bislang von den Bundesländern und von der deutschen Regierung nicht als ein Problem der Gesellschaft dieses Landes wahrgenommen wird," ist natürlich auch eine unverschämte Unterstellung. Bund und Länder sind auf das Grundgesetz verpflichtet und müssen nicht von Afrikanern daran erinnert werden. Der Antirassismus gehört zu den konstitutiven Voraussetzungen unseres Staates - um es mal ein bißchen pathetisch zu sagen. Daß die Verfolgung von Schwarzen keine zentrale Rolle im nationalsozialistischen Massenmordprogramm spielte, liegt an den historischen Tatsachen. Wir haben auch keinen Grund, das Erbe der amerikanischen Sklaverei anzutreten.
Die Verfasser des Briefes unterstellen, daß bei uns der Staat die Getränke und Speiseeiszubereitungen benennt.
Das Ganze läuft unter der Adresse "Brauner Mob". Muß sich auch die bayerische Staatsregierung darunter subsumieren lassen, wenn sie auf den Brief nicht eingeht? (Aber sie geht ja schon darauf ein und die Gastronomie ebenfalls, wie in diesem Lande nicht anders zu erwarten ...)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 28.07.2009 um 16.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14863

Die Überlegung, die Herr Wrase in seinem Beitrag #14858 zur Entstehung des Unbehagens anstellt, das manche möglicherweise empfinden, wenn ein Getränk mit einer Personenbezeichnung belegt wird, klingt vernünftig, und ich kann sie auch nachvollziehen. Ich fürchte nur, daß das alles viel zu subtil gedacht ist. Wenn einer in einer Bäckerei nach einem Nonnenfurz fragt, würdigt er dann die Angehörigen von Frauenorden herab, weil sie für ihn offenbar gerade gut genug sind, verspeist zu werden? Oder äußert er sich abwertend über hörbare Darmblähungen? Nein, ich denke, die Sache ist viel einfacher. Bestimmte Wörter sind tabu, Punkt. Es kommt gar nicht darauf an, ob die Assoziationen, die wir bei einem als Neger bezeichneten Cola-Weißbier-Mischgetränk haben oder auch nicht haben, positiv oder negativ sind. Nach dem Willen der Initiatoren soll das Wort als solches aus dem Verkehr gezogen werden, weil es grundböse ist und niemals etwas Gutes von ihm ausgehen kann, selbst wenn alle anderen beteuerten, daß sie sich nichts Böses dabei denken, und jene, um die es hier scheinbar geht, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen sollten.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 28.07.2009 um 14.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14862

In der Resolution wird behauptet, die Bezeichnung "Neger" für das Mixgetränk sei eine Diskriminierung im öffentlichen Raum, die Rassismus legitimiere. Eine Tatsache ist das nicht, eher eine Meinungsäußerung. Wer sieht das eigentlich so?

Das Anliegen wäre glaubwürdiger, wenn wir eine Meinungsumfrage unter den Betroffenen hätten. Es wäre überhaupt guter Stil: die Betroffenen fragen. Das wäre doch eine interessante Hausarbeit in einem soziologischen Seminar: Der Student macht Besuche in Biergärten oder Wirtshäusern und fragt anwesende Gäste, insbesondere dunkelhäutige, welche Bewertung ihre Meinung am besten wiedergibt:
- Finde ich witzig / Hat nichts mit Beleidigung zu tun
- Ist mir egal / Völlig unwichtig
- Finde ich nicht gut, es ist aber kein großes Problem
- Finde ich empörend / Es ist diskriminierend, sollte verboten werden

Nehmen wir nun an, daß die Hälfte der befragten Betroffenen oder eine Mehrheit die beiden letzteren Optionen wählt, also "nicht gut" oder "empörend". Wie sollte sich dann die einheimische Bevölkerung dazu stellen?

Möglichkeit 1: Tut uns leid, das ist nicht diskriminierend, das müßt ihr begreifen. Wir sehen nicht ein, daß wir unseren Sprachgebrauch ändern, nur weil sich ein paar Leute unnötigerweise beleidigt fühlen.
Möglichkeit 2: Nun gut, wenn das viele Betroffene stört, dann verzichten wir natürlich auf diese Bezeichnungen.

Ich nehme doch an, Möglichkeit 2 wäre guter Stil, oder?

Wenn sich hingegen herausstellen sollte, daß die "Neger" mit sehr großer Mehrheit gar kein Problem damit haben, dann wäre die Aktion einfalch nur lächerlich.

Was fehlt, ist die Meinung der angeblich Geschädigten. Oder gibt es da Erhebungen?
 
 

Kommentar von Michael Schuchardt, verfaßt am 28.07.2009 um 14.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14861

Ich nehme doch an, daß es sich um die früheren "Negerküsse" handelt, die in "Schaumküsse" umbenannt wurden. Das, finde ich, paßt auch besser denn das ist auf jeden Fall abwertend zu verstehen und entspricht damit symbolisch dem tatsächlichen Wert, den das babbige Zeug hat.
 
 

Kommentar von Michael Schuchardt, verfaßt am 28.07.2009 um 14.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14860

Rassismus hat es immer gegeben und wird es immer geben, solange es unterschiedliche Menschenrassen gibt. Und er ist durchaus nicht als Einbahnstraße zu verstehen. Der sperrige Begriff "Menschen mit dunkler Hautfarbe" kann genauso despektierlich verwendet werden wie "Neger" oder auch nicht.

Kürzlich sah ich ein Video, wo eine Hochzeitsgesellschaft (von Weißen) wie ausgeflippt bei Popmusik in eine Kirche tanzte. Die meisten Kommentare waren positiv, einige wenige fragten sich ob ein Gotteshaus sowas verdient habe. Einer schrieb, die Weißen sollten sich das Geld für die Hochzeit sparen, denn sie würden ja sowieso bald wieder geschieden. Ich denke "weiß" und "schwarz" werden in den USA gleichrangig im abwertenden Sinne mißbraucht.

Aber mit den Verbotsbegriffen wie "Tschechei", "Neger" u. v. a. beweihräuchern sich die Verbotsverfüger selber und geben auch denjenigen eine Chance, die sich, dem Trend bereitwillig anschließend, ihre Mitmenschen so belehren können und zeigen, daß sie moralisch besser sind. Darum geht es doch nur.

Ich kenne übrigens einen Neger, der bei einem Geschäftsmann arbeitet, der noch dazu politisch rechts steht und bei solchen Beispielen gesagt hat, "Deutschland ist kaputt!".
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.07.2009 um 13.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14859

In Bayern kann man im Wirtshaus auch einen "Russn" trinken, halb Weißbier, halb Limo.
Für Lateinkundige ist "Neger" und "Schwarzer" das gleiche Wort. Aber es regt mich jedesmal auf, wenn in deutschen Medien Leute mit nur etwas dunklerer Hautfarbe als "Schwarze" bezeichnet werden; das ist doch US-amerikanischer Rassismus in Reinform; warum müssen wir jede schlechte Angewohnheit übernehmen, nur weil sie aus dem USA kommt? Konsequenterweise dürften wir dann auch die etwas hellhäutigere indische Oberschicht, die sich ja von den indoeuropäischen Einwanderen herleitet, "Schwarze" nennen.
Genauso wundert es mich, warum US-Amerikaner "Weiße" "Kaukasier" nennen; für uns war "kaukasisch" früher ein Schimpfwort für ungeordnete Verhältnisse. Und die Nachfahren der europäischen Einwanderer Lateinamerikas werden in den USA "Hispanics" und "Latinos" genannt und nicht zu den "Weißen" gezählt.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 28.07.2009 um 12.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14858

Die Überlegung ist doch folgende: "Ein Neger ist ein Mensch. Wenn wir Getränke oder Süßigkeiten so nennen und sie dann unserem Verdauungsapparat zuführen, tun wir bei der Bestellung und auch schon beim Angebot unterschwellig so, als sei ein Neger (= Mensch mit dunkler Hautfarbe) gerade gut genug, um verspeist zu werden. Zumindest entsteht diese Assoziation, weil man bei "Neger" eben immer auch an die dunkelhäufigen Menschen denkt, und die Assoziation wird bei jeder Bestellung wiederbelebt. Das ist menschenverachtend, und weil in diesem Fall die dunkelhäutige Rasse betroffen ist, handelt es sich um Rassismus."

Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Nur weil Schwarze heute nur noch selten als "Neger" bezeichnet werden, bedeutet das nicht, daß der Begriff von seiner ursprünglichen Bedeutung befreit wäre. Zwar kann man auch überall Berliner oder Hamburger vertilgen, ohne sich etwas dabei zu denken. Aber erstens gibt es einen grammatischen Unterschied: Berliner = Berliner Krapfen usw., also eine bloße Herkunftsbezeichnung. Und im Gegensatz zu Hamburgern, Nürnbergern u. ä. waren Neger nun wirklich einer jahrhundertelangen totalen Entwürdigung ausgesetzt. Ein Neger galt nicht als Mensch, er war so viel wert wie ein Arbeitstier oder eine Maschine.

Andererseits: Wenn es wirklich so wäre, daß die alte Verachtung der Schwarzen bei der Speisenbenennung anklingt, dann würde man sich doch schämen, einen "Neger" zu bestellen, man hätte zumindest gemischte Gefühle dabei, auch ohne daß sie uns von einem Verein eingeredet werden. Ist das so? Wenn es nennenswerte Irritationen in dieser Hinsicht gäbe, hätten sich in einem so korrekten Land wie Deutschland schon längst entsprechende Bedenken gesammelt. Insofern hat der plötzliche Protest etwas Schrilles.

Ich kann mir vorstellen, daß ein Neger, der tausendfach Rassismus erlebt hat (verächtliche Sprüche, Gewaltandrohung, Zurückweisung bei Bewerbungen u. ä.), allergisch reagiert, wenn er sieht, daß man "Neger" bestellen und essen oder trinken kann. Die Frage wäre also auch: Von wem stammt die Initiative: von Schwarzen – oder von Weißen, die das Thema des latenten Rassismus ins Bewußtsein bringen wollen?
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 28.07.2009 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14857

„Cola-Weiße“

Ausgerechnet! Da werden ja nicht nur pan(!)-europäische Menschen im allgemeinen sondern sogar pan(!)-europäische Frauen im besonderen diskriminiert.

Also wenn schon , dann muß man den — Entschuldigung —preußischen Begriff „Cola-Weizen“ verwenden. Und: Wird eigentlich nicht auch „Pepsi“ diskriminiert?

Mein Vorschlag: „koffeinhaltiges Brause-Weizenbier-Mischgetränk mit ca. 2 bis 3 % Alkohol“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.07.2009 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14856

Nachtrag: Das Originalschreiben der Panafrikanisten an den bayerischen Innenminister findet man hier (PDF-Datei).
Es fällt schwer, bei dem Text nicht an Satire zu denken:
»In Bayern werden immer noch in Bars, Cafés, Biergärten etc. Mixgetränke mit dem Namen „Neger“ angeboten oder Bezeichnungen verwendet, die diesen Begriff enthalten (z.B. „Eisneger“). Diese Diskriminierung im öffentlichen Raum legitimiert Rassismus, da sie vom bayrischen Staat wissentlich gebilligt wird. Sie ist Ursache zahlreicher Auseinandersetzungen und stört somit den sozialen Frieden.«
Nun, in den letzten Jahrzehnten sind in Deutschland Millionen Eisneger verspeist worden, ohne daß es auf den Straßen zu sommerlichen Ausschreitungen gekommen wäre. Nicht nur der "bayrische Staat" hat davon gewußt. "Brauner Mob"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.07.2009 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#14855

Nichts ist so absurd, daß es nicht eines Tages von unterbeschäftigten Politikern gefordert werden könnte.

SZ 28.7.09:
»'Neger' soll Cola-Weiße heißen
Minister Zeil macht sich für bundesweite Initiative stark
München - Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) will gegen die Bezeichnung Neger für ein Cola-Weißbier-Mischgetränk in der Gastronomie vorgehen. In einem Schreiben an den bayerischen Hotel- und Gaststättenverband fordert er Präsident Siegfried Gallus auf, die Gastronomen für die Getränkebezeichnung, die er für "rassistisch" hält, zu sensibilisieren. Nach Ansicht von Zeil soll der Begriff von den Getränkekarten ganz verschwinden. Er hat Justizministerin Beate Merk (CSU) gebeten, ihrerseits "eine generelle Verbannung des Begriffs aus dem öffentlichen Raum" zu überprüfen.
Zurück geht die Initiative auf den Arbeitskreis Panafrikanismus München. Der beanstandet, dass etliche Gastronomen in Bayern auf ihren Getränkekarten noch immer Neger für das Mischgetränk schreiben. Nach Angaben des Arbeitskreises hätten andere Bundesländer längst neutrale Begriffe gefunden, etwa "Diesel" für das Getränk oder einfach nur "Cola-Weizen". Daher wendet sich der Arbeitskreis in einer Resolution, die etliche Organisationen und Vereine unterstützten, an die Staatsregierung, um Druck auf die Gastronomen auszuüben.
Minister Zeil, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, hat sich nun als erster der Forderung des Arbeitskreises angenommen. Siegfried Gallus vom Gaststättenverband erklärte: "Wir haben Verständnis. Wir werden die Gastronomen bitten, das Getränk Cola-Weiße zu nennen." msz«



Seit Schwarze nicht mehr "Neger" heißen, ist der Begriff eigentlich wieder frei, ebenso wie "Mohr". Man fragt sich, wer oder was diskriminiert wird, etwa das Mischgetränk?
Aber was gilt die Wette? Der Minister wird sich durchsetzen, es wird ein bundesweites Verbot der Getränkebezeichnung geben. Irgendein Zentralverband oder in diesem Fall eben der "Arbeitskreis Panafrikanismus" braucht nur ein Wort als böse zu bezeichnen, schon wird es tabuisiert, ganz gleich, worauf es sich bezieht. Es ist ein sonderbarer Mechanismus, der nach und nach immer weitere Teile des Wortschatzes erfassen könnte.

Eigentlich sollte schon die Selbstbezeichnung "Panafrikanismus" stutzig machen. Wie seinerzeit bei der "Négritude" handelt es sich offenbar um eine rassistische Doktrin, nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen. Sie definiert sich ausdrücklich über die Hautfarbe. Der Feminismus vertritt nicht die Interessen aller Frauen (die so verschieden sind wie die Interessen aller anderen Menschen), der schwarze Rassismus nicht die Interessen aller Schwarzen. Aber all solche Vorhaltungen werden den bayerischen Minister (was mag er wirklich denken?) nicht hindern, sein Projekt voranzutreiben – und Erfolg zu haben.
 
 

Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 06.05.2008 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#12074

Die Verfilmung in schwarzweiss von Agatha Christies Krimi «Zehn kleine Negerlein» habe ich als Kind im Beisein meiner Mutter sehen dürfen. Ein Film, der schon vom Inhalt tief beeindruckt hat und bis heute nachwirkt. Was die Verfilmung jedoch mit Hautfarbe oder Nationalität zu tun haben soll, kann ich nicht erkennen.

Auch verstehe ich nicht, warum das Wort Neger eine Diskriminierung ist. Es ist doch wie überall im Leben: erst der Ton macht die Musik und nicht die Farbe. Aber wenn das Wort Neger schon eine Diskriminierung und meine Erinnerung beeinträchtigt sein sollte: «Dann waren’s halt nur noch neun».

Ob nun Mohrenkopf oder Negerkuss bzw. -kuß: haben Antidiskriminierungsstellen tatsächlich keine anderen Probleme oder hat es ihnen ob der Jumbo-Mohren-Waffeln ganz einfach nur die Sprache verschlagen?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 06.05.2008 um 00.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#12071

Negerküsse und Mohrenköpfe sind mittlerweile ja zum Glück aus den Supermärkten verschwunden. Die Welt ist seither ein kleines bißchen besser, das spüre ich ganz deutlich. Um so entsetzter war ich, als ich heute in einem großen Supermarkt im Westfälischen eine Packung »Jumbo-Mohren-Waffeln« der Firma Grabower erblickte. Zwar war mir das Unternehmen schon früher wegen seiner »Grabower Küßchen« (tatsächlich mit Eszett!) aufgefallen, aber für eine »Jumbo-Mohren-Waffel« muß man schon noch eine Schüppe Nonkonformismus drauflegen. Also schaute ich auf der Website nach. Und siehe da: von wegen Mohrenwaffeln, dort heißen die Dinger »Afrika Schaumwaffeln« – armes Deutschland! Bleibt die Frage, ob man das Produkt inzwischen umbenannt hat oder ob die real existierenden Mohrenwaffeln im Internetauftritt verschwiegen werden.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 04.03.2007 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7892

Aus gegebenem Anlaß möchte ich ein hübsches Beispiel aus dem richtigen Leben beisteuern. Gestern kaufte ich bei LIDL (ja, gibt’s auch hier in Holland) eine politisch korrekte und orthographisch höchst progressive Packung „Mini Schokoladen Schaumküsse“. Gemeint sind natürlich kleine Negerküsse oder Mohrenköpfe oder – für unsere österreichischen Freunde – Schwedenbomben. Der Text auf der Vorderseite, „32 Mini Choco Picnic“, ist zwar nicht besonders originell, macht die Schachtel aber international verkaufstauglich. Die zitierten „Schaumküsse“ (igittigitt!) findet man auf der zwölfsprachigen Packungsrückseite. Und was steht da im niederländischen Textblock? „Mini chocolade negerzoenen“! Offenbar ist man in Neckarsulm nicht auf der Höhe der Zeit. Denn der Negerkuß ist auch auf dem hiesigen Markt spätestens seit letztem Jahr tabu. Im März 2006 jedenfalls änderte die Herstellerfirma Buys, wie man liest, den 86 Jahre zuvor eingeführten Handelsnamen „negerzoen“ in „Buys Zoen“, angeblich weil eine von ihr in Auftrag gegebene Untersuchung ergeben hatte, daß viele Kunden den Namen als diskriminierend empfinden. Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß fast keiner der Befragten etwas gegen das Wort einzuwenden hatte und daß es sich bei der Umbenennungsaktion in Wahrheit um einen Marketingtrick des Unternehmens handelte. – Wann kann ich die ersten „LIDL Zoenen“ kaufen?
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 31.01.2007 um 20.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7551

Gleichverpflichtung

Das ist kein Schreibfehler, sondern der katholischen Apologethik der 60er Jahre entnommen, die mit diesem Namen seinerzeit auf das in der Gleichberechtigung Implizierte aufmerksame machte.

In einer deutschen Grammatik derselben Zeit wurde "etwas Kleines" mit dem Satz erklärt "Müllers haben gestern etwas Kleines bekommen", was Student(inn)en zu dem (unsachlichen?) Kommentar "Besonders Herr Müller!" veranlaßte. Sprachsuffragetten wie die "Sprachlinguistin" Luise F. Pusch haben der Gleichstellung und -"behandlung" von Frauen nur Schaden getan, noch lange vor aller politischen Korrektheit. Von Zuvorkommenheit und ähnlichem in der zweifellos immer noch patriarchalischen europäischen Kultur Angesiedeltem ganz zu schweigen.

Das Schlimme am ganzen Getöse ist, daß rund um den Globus selbstinstallierte Sprachverbesserer Gehör finden, weil Politiker meinen, die Sprache bestimme das Soziale, obwohl sie es lediglich spiegelt. Dieselbe Kaste instrumentalisiert die Sprache zum einen für ihre niederen Zwecke, zum anderen macht sie sie zum Prügelknaben für das eigene Unvermögen und Versagen. Die Sprache ficht das in keiner Weise und in keinem Maße an. Auf sie können wir uns verlassen. Die kleinen und größeren politischen Rattenfänger sind zum Glück außerstande, sie maßgeblich zu verderben, weil sie sich ihrer Regelungsgewalt und -wut entzieht. Natürlich muß dies nicht jedem deutschen Kultusduodezfürsten dämmern.
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 31.01.2007 um 16.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7550

Man muß sich nicht kujonieren lassen, man darf den Zirkus ignorieren und braucht sich nicht dran zu beteiligen – wie mit der R-Reform, mit der der Quatsch nichts zu tun hat, aber beides gedeiht auf demselben mentalen Substrat. Ein winziges Quentchen Zivilcourage genügt. Daß so viele genau dieses noch nicht einmal aufbringen, ist die wahrhaft beunruhigende Tatsache. Obwohl ich glaube, daß weite Teile der schweigenden Mehrheit der Priesterkaste den Vogel zeigen, wenn gerade keiner guckt.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 31.01.2007 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7549

Die politisch korrekte Sprache konnte nur so um sich greifen, weil die Weltanschauung, von der sie gespeist wird, strukturell der einer Religion gleicht. Hinter ihr steht ein Priesterkartell aus Politikern, Journalisten, Funktionären, Rechtsakrobaten und Betreuungsbeflissenen, die in gemeinsamer Verabredung eine neue Erlösung der ihr anvertrauten Menschheit erstreben. Das Weltbild dieses Personals ist ein abstraktes, blutleeres, lebens- und erfahrungsfernes Wahngebilde, das sich im Alltag des gewöhnlichen Volkes, des Mannes auf der Straße, überhaupt nicht spiegelt. Aber das Priesterkartell hat in seinen virtuellen Konzilien den Kanon seiner heiligen Schriften festgelegt. Es verkündet Gebote und Verbote, belegt Ketzer mit dem Bann und zelebriert der eingeschüchterten Mehrheit seine Liturgie vor. Um der wahren Erlösung willen werden die Gebote immer rigider ausgelegt, und was gestern noch toleriert wurde, wird heute geächtet und morgen verdammt. Befreiung könnte sich die bevormundete schweigende Mehrheit nur schaffen, indem sie ihre Stimme erhöbe und die Priesterkaste aus dem Tempel jagte. Aber, so fürchte ich, darauf werden wir noch lange warten und uns lieber zunehmend kujonieren lassen.
 
 

Kommentar von Hartmut Teuber, verfaßt am 31.01.2007 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7548

Natürlich ist 'politisch korrekt' nichts anders als sich "höflich" und "angemessen" auszudrücken. Darin stimme ich mit Manfred Riemer überein. Man braucht zuerst nur zu wissen, was unhöflich ist und warum. Das ist Sensibilisierung erster Stufe. Wenn DUDEN sagt, dass ein Wort offensiv sei, fragt man sich Warum. Leider ist DUDEN zu kurzbündig mit der Erklärung, warum 'taubstumm' nicht zu empfehlen sei. Und Ickler begründet auch nicht mehr, warum er DUDEN's Empfehlung von 'gehörlos' als fragwürdig ansieht.

Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen der feministischen Wortreform und der ganz einfachen Empfehlung, das Wort 'stumm' von 'taubstumm' wegzuschneiden. Das Wort 'stumm' ist audistisch. Bei uns Gebärdensprachbenutzern gibt es keinen Ausdruck für jemanden, der nicht in Gebärdensprache sprechen kann. Also kein "stumm in Gebärdensprache"! Siehe, wir sind "politisch korrekter" gegenüber Hörenden!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.01.2007 um 06.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7546

An gutem Willen fehlt es mir nicht, allein es fehlt der Glaube. Meiner Ansicht nach hat z. B. die feministische Veränderung der Sprache weder zur Verbesserung der Verhältnisse noch zur "Sensibilisierung" beigetragen, außer daß ein gewisser Überdruß an den "Erstsemesterinnen" usw. eingetreten ist. Behaupten läßt sich viel, beweisen wenig.
Anders gesagt: Man kann die Verhältnisse ändern und die Sprache in Ruhe lassen, man kann aber auch ständig an der Sprache herumbasteln, um sie (angeblich) angemessener zu machen. Einige machen es so, andere so, und die Karawane zieht weiter.
Wie haben die Sprachkritiker alten Schlages (nicht alle waren persönlich unbefleckt) auf Wörter wie "betreuen" eingeschlagen! Und heute ist mancher froh, wenn er gut betreut wird, Akkusativ hin oder her. Die Einrichtung der ersten "Blödenanstalten" war eine Wohltat, die Benennung ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen.
Die Skrupel bei der Bezeichnung von Behinderungen oder sogar von Besonderheiten aller Art geht manchmal so weit, die Besonderheit überhaupt zu verstecken oder zu leugnen - womit man sich dann freilich auch jeder Förderung beraubt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 31.01.2007 um 01.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7545

Natürlich gibt es in der Politik Korrektheit, andernfalls könnte man sich Gesetze und Verfassungen gleich schenken. Es gibt zum Beispiel korrekte Haushaltsstatistiken und solche, die absichtlich gefälscht werden (wie in Griechenland vor der Evro-Einführung geschehen). Es gibt zum Beispiel korrekte, da gesetzmäßige Verfahren der Einwerbung von Parteispenden, und es gibt Bundesminister des Innern, die von Waffenhändlern kofferweise Geld entgegennehmen. Und wie in anderen Lebensbereichen auch gibt es in der Politik korrekte und unkorrekte Redeweisen. Zum Beispiel tagt der Bundestag nicht im Reichstag, sondern im Reichstagsgebäude.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.01.2007 um 23.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7544

Sollte man nicht anstelle des Ausdrucks "politisch korrekt" besser Wörter wie höflich, angemessen, richtig, ... was auch immer benutzen? Ich beziehe mich hierbei auf Gauger "Was wir sagen, wenn wir reden" (DTV Jan. 2007). Er schreibt sinngemäß, daß Politik an sich schon den Rahmen des Möglichen absteckt. "Es gibt im Bereich des Politischen keine Korrektheit. Oder deutlicher: es darf sie dort gar nicht geben. Der Ausdruck politisch korrekt ist nichts anderes als ein eklatanter Selbstwiderspruch." Er spricht mir damit wirklich aus der Seele.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.01.2007 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7538

Wäre, mit Verlaub, eine ziemlich doofe Idee, im Deutschen statt von Taubstummen nur noch von Tauben zu sprechen. (Vor allem im Ruhrgebiet.)
 
 

Kommentar von Konrad Schultz, verfaßt am 30.01.2007 um 10.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7536

Die Tauben "reden" untereinander eine Sprache, die Hörende nicht hören und diesen deshalb unverständlich ist. Deshalb werden Taube, politisch nicht korrekt, als taubstumm angesehen, sofern sie nicht hörbar sprechen können. Die Slawen verstanden Deutsche auch nicht und nannten sie "stumm" (russisch nemoj = stumm), daher das slawische Wort "nemec" für "Deutscher". Wir sehen das aber nicht als politisch unkorrekt an.
 
 

Kommentar von Hartmut Teuber, verfaßt am 30.01.2007 um 09.30 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7532

Vorweg einige Tatsachen: Das Teil 'stumm' wird von 'taubstumm' in verschiedenen Sprachen abgeschnitten. Es besteht tatsächlich Einheit unter tauben Betroffenen, sich selbst nur mit 'taub' in den respektiven Sprachen zu nennen: 'deaf', 'doof', 'sourd', sordo, 'surdo', 'dov' usw. Der Gebrauch von 'deaf-mute' in den USA ist praktisch obsolet geworden; es wird in den USA sehr selten gebraucht, z.B. in der Enquirer Zeitung, wenn sie etwas Schlechtes über eine taube Person berichtet (Unfall, Gerichtsverhandlung usw., wie die BILD-Zeitung immer wieder macht). In deutschsprachigen Ländern wird 'taubstumm' nicht von den Betroffenen verwendet, ausgenommen für Selbstironie, ähnlich dem 'verkehrt' von den Homosexuellen und 'Krüppel' von den Kleinwüchsigen.

Die negativen Erfahrungen tauber Personen mit dem Wort 'stumm' sind reell. Keine beschönigenden und entschuldigenden Argumente dagegen! Das kann nicht als Überempfindlichkeit abgetan werden.

Es wird appelliert, nur das Wort 'stumm' nicht zu gebrauchen. Nicht mehr! Kein Exzess wie beim Feminismus! Keine euphemistischen Wortersätze! Nur einfach den Gebrauch von 'taub' oder 'gehörlos'. Wie kann das mit den Exzessen des Feminismus verglichen werden!?

Der Ausdruck 'Taubstummensprache' war schon als problematisch in den 60'er Jahren angesehen worden. Mir gegenüber fragten Hörende: "Benutzst du auch die Taubstummensprache ... äh ... Fingersprache?" Sie hatten erkannt, dass das Wort nicht gut sei, und hatten sich dann zu 'Fingersprache' korrigiert. Heute sieht man eher "Gebärdensprache' und manchmal 'Zeichensprache'.

Man möchte zwar verneinen, etwas Böses mit dem Wort' taubstumm' oder 'stumm' gemeint zu haben, oder eine Menschengruppe damit erniedrigt zu haben. Es wird sehr oft unbewusst geäussert und durch Wiederholung und Reaktion darauf entstehen im Endeffekt doch Benachteiligungen gegen die 'Stummen".

Sprache folgt der Wirklichkeit, also der Wirklichkeit, wie man denkt, welche Vorurteile gegen eine Menschengruppe man bewusst oder unbewusst schon im Geiste hat, usw. Hat man sich darüber sensibilisiert, dann erfolgt Änderung der Mentalität und Wortgebrauch folgt danach. Auch hilft der Hinweis auf das Unangebrachtsein des Wortes 'stumm' dem Sensibilisieren des Problems zu fördern. Eine solche positive Änderung habe ich tatsächlich in den USA mit dem durchgehendem Gebrauch von 'deaf' erlebt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2007 um 06.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7500

Bekanntlich gibt es "die" Gehörlosen nicht, und Gehörlose sind sich selbst keineswegs einig, was die korrekte Bezeichnung betrifft. Das gilt auch für andere Sprachgebiete, z. B. gibt es eine ausgedehnte Debatte um "deaf-mute" (Herr Teuber wird es wissen, da er in Amerika lebt). Man sollte weniger auf die Wörter und mehr auf die Sache schauen. Wörter sind ja oft in sich widersprüchlich (geworden), ohne daß es irgendwem schadet. So ist auch der Ausdruck "Taubstummensprache" durchaus möglich und auch üblich, und es ist ja an sich erfreulich, daß die "Taubstummen" eine Sprache haben.
Es gibt eine Überempfindlichkeit gegen Sprache, die den Betroffenen eher schadet als nutzt, man denke an die Exzesse des Feminismus, die wie gezeigt, zu sprachlichen Eiertänzen von großer Lächerlichkeit führen. Die Sprache folgt der Wirklichkeit, nicht umgekehrt, und so sollen die Interessen der Gehörlosen gefördert werden, ganz gleich wie sie heißen mögen. Es ist erfreulich, daß man oft Gehörlose in lebhafter Unterhaltung beobachten kann, und ich habe noch nie erlebt, daß sich jemand über sie lustig macht. "Das sind Taubstumme", mag dann der eine Beobachter zum anderen sagen. Nun, was ist dabei?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 29.01.2007 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7499

Im Althochdeutschen ist stum schon belegt, und so rührt es auch nicht von tumb her, auch wenn es zwischen dumm und stumm und verwandten Formen durchaus etymologische Beziehungen gegeben hat. Näheres in den einschlägigen Wörterbüchern.
 
 

Kommentar von Hartmut Teuber, verfaßt am 29.01.2007 um 03.43 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#7497

Tatsächlich ist das Wort 'taubstumm' den tauben Menschen offensiv. Sie möchten nur mit entweder 'taub' oder 'gehörlos' bezeichnet werden. Ich als selbst Betroffener ziehe das Wort 'taub' vor.

Das Offensive im Wort ist 'stumm'. Nach der allgemeinen Erfahrung der Generationen von tauben Menschen hat das Wort 'stumm' Diskriminierungen gegen sie direkt und indirekt bewirkt. Das Wort wird gleichbedeutend mit "dumm" und sie werden in der Arbeitswelt benachteiligt (etymologisch sind 'dumm' und 'stumm' von dem altdeutschen 'tumbe' abgeleitet). "Weil er nicht sprechen kann, ist er dumm", hörte ich manchmal von Hörenden gesagt. Sie werden ausgelacht, weil ihr Sprechen "komisch" ist. Sie werden "Stummerl", "Stummel" oder ähnliches genannt. Sie werden kommunikativ sehr oft übergangen und allein gelassen, weil sie das Label "stumm" tragen und demnach nicht mit ihnen kommuniziert werden kann.

Da sie in Tat kommunizieren können, sei es mündlich, per Schrift oder durch Handzeichen, lehnen sie kategorisch die Bezeichnung 'stumm' ab. Auch deswegen, weil unter ihnen die Bedeutung des Wortes auf "kommunikationsunfähig" sich ausgeweitet hat. Sie dachten, die Stummheit darf nicht audistisch nur auf die orale Fähigkeit beschränkt bleiben, sondern auch die Unfähigkeit, sich in der Gebärdensprache auszudrücken, mit einschliessen. Es gibt keinen Ausdruck entsprechend dem "stumm in der Gebärdensprache", weil wir wissen, wie unsinnig das ist. Die gleiche Erkenntnis sollte auch für den Gebrauch von 'stumm' gelten lassen. Also lass das Wort in dieser Bedeutung einschrotten!

DUDEN hat leider die unlogische Verbindung mit der Anerkennung der Gebärdensprache eingegeben und nichts weiter ausgeführt. Wohl hat die Redaktion den Punkt nicht verstanden bekommen, dass das Wort unzutreffend ist, da taube Menschen kommunizieren können, auch wenn nur in der Gebärdensprache, und dass jede Erwähnung von irgendwelcher Unfähigkeit oder Andersartigkeit des Sprechens audistisch sei und daher diskriminierend.
 
 

Kommentar von Christoph Kukulies, verfaßt am 10.08.2006 um 11.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#5275

An den Geist in der Ballistolflasche:

Ich kenne das Allzweck-Kampfer-Öl Ballistol sehr gut und benutze es zum Waffenreinigen, aber auch äußerlich soll es anwendbar sein. Zeckenbisse, z.B., wegen der desinfizierenden Wirkung. Bisweilen wird auch von der Anwendung abgeraten bis hin zur Diskreditierung als Humbug.

Was Sie dazu bewogen hat, sich darin zu verkleiden, frage ich mich zwar, aber ist mir im Grunde auch egal.

Nur fällt mir in dem Zusammenhang gerade ein, daß neulich in irgendeinem dieser Sonntagsabend-Krimis (Tatort möglicherweise), von einem "Ballisten" die Rede war, "man müßte die Kugel mal von einem Ballisten untersuchen lassen".

Seltsame Neuschöpfung. Ballistiker heißen die doch gewöhnlich.
 
 

Kommentar von Das Ballistol, verfaßt am 10.08.2006 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#5273

Sehr interessant ist auch, daß nicht nur die Matritze weiblich ist, sondern auch die Patritze!

(Wer nicht weiß, was eine Patritze ist: Mit ihr wird eine erhabene Form in ein weicheres Material – eben die Matritze – druckvoll eingetieft; die Bedeutungsnähe zu manch anderem ist nicht ungewollt.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.08.2006 um 09.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#5272

Warum sind manche Maschinen (die Maschine!) männlich und manche weiblich? Die Turbine treibt den Dynamo. Maschinen sollten geschlechtsneutral sein, auch wenn sie von Männern erfunden wurden. Schuld daran sind auch die romanischen Sprachen, weil sie nur männlich oder weiblich, aber kein Neutrum kennen. Frauen sollten nur weibliche Maschinen kaufen. Gerechter wäre es, nur zwischen belebt und unbelebt zu unterscheiden, wie einige germanische Sprachen es tun. Mark Twain wollte auch als wichtigstes das natürliche Geschlecht einführen, um "die schreckliche deutsche Sprache" zu reformieren, in der sogar manche Personen (das Weib) kein Geschlecht haben dürfen.
 
 

Kommentar von Peter Müller, verfaßt am 04.08.2006 um 13.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=577#5181

Welche Kapriolen die politische Korrektheit schlägt, ist auch im Wahrig zu sehen: Unter spät findet sich dort die spät Gebährende / der Spätgebährende (vom unglaublichen Rechtschreibfehler mal abgesehen). Wir warten auf die Wöchnerin/der Wöchner.
 
 

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