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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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04.10.2014
 

Albtraum Deutschunterricht
Bemerkung zum "Interpretieren"

Es gibt ja eine Menge Internetseiten, auf denen verzweifelte oder faule Schüler um Hilfe beim "Interpretieren" von schulüblichen Texten bitten. Die Antworten sind teilweise auch ganz unterhaltsam.
Das Ganze gibt ungewollt einen Einblick in die Schulwirklichkeit, erinnert wohl die meisten von uns an die eigene Schulzeit und stößt Unmengen didaktischer Literatur in die Tonne.

Kästners "Sachliche Romanze" ist ein meisterhaftes Gedicht, zweifellos, und gehört unverbrüchlich in den Deutschunterricht, "Neue Sachlichkeit" und so, ihr wißt schon. Anlaß meines Eintrags ist, daß ich zufällig auf den Eintrag bei Wikipedia gestoßen bin. Den hat sich der Text natürlich gerade deshalb verdient, weil er in der Schule so oft gelesen wird. Die Schüler werden jahrelang dazu gebracht, in Texten etwas zu Interpretierendes zu sehen. Die Absonderlichkeit dieses Tuns wird gar nicht mehr bewußt. Der Wikipedia-Artikel verkörpert die Hilflosigkeit exemplarisch. Ein bißchen Gleichgültiges zum Reimschema, ein paar gleichgültige biographische Hinweise. Ist das "Begreifen, was uns ergreift"?

Mit meinen Töchtern, die noch sehr empfänglich sind, kann ich ganz anders darüber sprechen. Aber es wäre auch möglich, den Kindern solche Texte einfach zur Kenntnis zu bringen und es damit bewenden zu lassen. Wäre das kein Deutschunterricht mehr? Wieso eigentlich nicht?
Die guten Schriftsteller ermöglichen uns, nicht ganz und gar sprachlos (und fassungslos, um gleich an Kästner anzuknüpfen) vor den Ereignissen zu stehen, die wir leider oder gottseidank erleben werden. Das "interpretierte" Gedicht hilft nicht gerade.



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Kommentare zu »Albtraum Deutschunterricht«
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Kommentar von Dike, verfaßt am 01.03.2015 um 15.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#28220

"Der Schriftsteller verwandelt Vorstellungen in Worte. Der Leser verwandelt Worte in Vorstellungen. Inwieweit diese und jene Vorstellungen einander ähneln, ist unkontrollierbar." Dieses Zitat von Erich Kästner habe ich ab und an mal im Deutschunterricht herangezogen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2015 um 06.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27722

Das Heruminterpretieren an Gedichten findet ein willkommenes Ende, sobald authentische Filmdokumente auftauchen, z. B. hier: https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=gefunden+goethe+lego
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2014 um 12.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27071

Die Auslautverhärtung würde ohnehin eintreten, unabhängig vom Anlaut des zweiten Bestandteils, aber sie würde so wenig geschrieben werden wie in halbtrocken, wenn es noch einen gebräuchlichen Plural gäbe. Erst die Isolation der Form läßt die Zweifel aufkommen. Und das liegt wieder daran, daß wir eben nicht mehr jeden Tag von den Alben sprechen, die unsere Gegend bevölkern.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 16.10.2014 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27069

Wenn man nicht gerade Tolkien- oder Fantasy-Fan ist werden sich die meisten heutzutage unter ''Alben'' überhaupt nichts vorstellen können, allenfalls vielleicht den Plural von Album.

Beim Wort ''Albtraum'' würde ich früher oder später eine Assimilation des b zu p erwarten, wegen des nachfolgenden t's. (Ich denke, hier macht der Apostroph Sinn.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.10.2014 um 00.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27063

Die Debatte ist doch nicht uninteressant, auch über den Einzelfall hinaus.

Unter Volksetymologie versteht man eine Schreibung oder Wortbildung, die auf einer Fehlinterpretation beruht, z. B. Hängematte. Die Schreibung Alptraum ist nicht volksetymologisch, kann aber fälschlicherweise so aufgefaßt werden, wenn angenommen wird, es sei mit ihr ein irrtümlicher Bezug zu den Bergen hergestellt worden. (Augst würde wohl ins Feld führen, daß dieser Bezug von vielen Sprechern der Gegenwartssprache hergestellt wird, wenn man sie fragt, was sie mit dem Wort assoziieren.)

Die Schreibung Albtraum ist nicht volksetymologisch. Hingegen läßt sie, wesentlich deutlicher als Alptraum, erkennen, daß der Begriff in der Tat auf mythologische Vorstellungen vom Wirken der Alben zurückgeht. Mehr kann man, wenn man solche etymologischen Winke überhaupt zu schätzen weiß, nicht verlangen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.10.2014 um 00.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27062

Hierzu ist mir noch folgendes aufgefallen:

Das Große Wörterbuch des Duden verweist beim Eintrag Alptraum ganz Dudenempfehlungskonform auf den Eintrag Albtraum. Dort ist Alptraum an zweiter Stelle genannt. Entsprechendes gilt für Alpdruck und Alpdrücken.

In den drei zitierten Belegen für Al(b/p)traum wird zweimal Alptraum und einmal Albtraum geschrieben. Bei Al(b/p)druck und Al(b/p)drücken gibt es jeweils nur einen Beleg, nämlich Alpdruck und Alpdrücken.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 15.10.2014 um 23.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27061

Lieber Herr Markner,

mir scheint, daß unsere bisherige Debatte unfruchtbar war, weil wir offenbar unterschiedliche Vorstellungen von Etymologie haben.

Ich verstehe unter Etymologie die Lehre von der historischen Entstehung und Entwicklung von Bedeutung, Schreibung und ggf. Aussprache der Wörter.

Sie gehen aber vom heutigen Sprachgebrauch aus („...heutzutage schreibt man eben im allgemeinen Alb und Alben“). Daraus leiten Sie ab, daß Albtraum „in etymologischer Hinsicht die bessere Schreibung“ sei.

Ich bin ja ganz dafür, bei orthographischen Fragen „die Verhältnisse in der Gegenwartssprache“ zugrunde zu legen. Dann sollte man am besten aber gar nicht von Etymologie reden.

Anderenfalls kommt man einer Volksetymologie sehr nahe. Die Erwähnung von Augst in diesem Zusammenhang ist daher recht pikant.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 10.10.2014 um 00.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27001

Die Orthographie von Alb ist schwankend, keine Frage, aber heutzutage schreibt man eben im allgemeinen Alb und Alben. Sich von der schwankenden Orthographie dazu verleiten zu lassen, zwischen gutmütigen Alben und bösartigen Alpen zu unterscheiden, wäre doch wohl ein Fehler. Es gab und gibt nun einmal keine verbindliche Vorstellung, die mit diesen Fabelwesen verbunden war und ist, und so konnten ihnen über die Zeit und in verschiedenen Gegenden ganz unterschiedliche Merkmale und Tätigkeiten zugeschrieben werden. Es soll gute und böse Dämonen geben, warum also nicht auch gute und böse Alben? (Etwas anderes ist es natürlich mit den reimportierten Elfen.)

Wenn nun das Wort Alptraum seit seiner Prägung überwiegend mit p geschrieben worden ist, könnte das daran liegen, daß seinerzeit die Alben überwiegend Alpen genannt wurden (was genauer zu überprüfen wäre). Hält man nun an der Schreibung des 19. Jahrhunderts fest, obwohl andererseits unter den Alpen gemeinhin nur noch die Bergkette verstanden wird, verunklart sich der etymologische Zusammenhang.

Es geht also nicht etwa darum, auf eine irgendwie ursprünglich richtige Schreibung zurückzugehen, sondern um die Verhältnisse in der Gegenwartssprache. Nur so ist auch zu verstehen, warum Augst auf die Idee kommen konnte, die Schreibung anzugleichen.

Übrigens sind die online verfügbaren DWb-Einträge zu diesem Thema noch original Grimm, während die aktuelle Fassung in der Bibliothek nachgeschlagen werden muß.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 09.10.2014 um 22.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#27000

Lieber Herr Markner,

vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag und den ausführlichen Auszug aus dem Pfeifer.

Jetzt verstehe ich Ihre Position schon viel besser.

Ganz klar erscheint mir die Sache aber nach wie vor nicht. Zunächst einmal widersprechen sich die Wörterbücher. Lt. DWB ist die ahd. Form Alp, lt. Pfeifer ist sie Alb. Das mag aber vielleicht nicht so wichtig sein.

Wichtiger erscheint mir, daß beide Wörterbücher eine Differenzierung im Nhd. bei Schreibung und Bedeutung feststellen:
Pfeifer: „..., dafür heute meist ²Alp m.; vgl. Alpdrücken (um 1700), Alpdruck (um 1800), Alptraum (19. Jh.).”
DWB: “ALP, m. daemon, incubus, die streng ahd. wortform hat sich nur für den feindlichen nachtgeist, nicht für den lieblichen lichtgeist erhalten, welcher davon unterschieden und mit dem namen elb oder niederdeutsch elf belegt wird (s. DWB alb). der pl. lautet alpe, doch bildet LUTHER alpen: ...“

Die Hauptsache ist nun: Zum Zeitpunkt der Bildung von Zusammensetzungen wie Alpdrücken usw. war danach Alp die überwiegende Schreibung für den bösen Nachtgeist.

Ich halte ohnehin wenig davon, bei orthographischen Fragen auf die Etymologie zurückzugreifen. Völlig sinnlos erscheint es mir aber, mit der Etymologie noch vor den Zeitpunkt der Wortentstehung zurückzugehen.

Daher erscheint mir etwa die Schreibung Alpdruck als etymologisch vollkommen “richtig”. Sonst müßte man doch konsequenterweise auch bei Druck auf die ahd. oder mhd. Schreibung zurückgreifen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.10.2014 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26997

Nur zur Ergänzung: Schwan; tschech, slowak. labut'; poln. labedz; serbokroat. labud; ukrain. lebid'. Das "la" ist vermutlich Liquidametathese wie in dt. Elbe - tschech. Labe, dt. Milch - slaw. mleko usw.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 09.10.2014 um 10.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26996

"Allerdings weiß ich noch, daß ich das Wort "Kaffee" in dem Gedicht auf der zweiten Silbe betonen wollte, aber meine Deutschlehrerin auf der Betonung der ersten Silbe bestand."

Sie hatte recht, das Metrum verlangt es.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2014 um 06.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26992

Also von "besser" möchte ich nicht sprechen, das soll auch in meiner persönlichen Bevorzugung einer bestimmten Schreibweise nicht impliziert sein, lieber Herr Achenbach. Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, muß ich mich doch in der eigenen Schreibpraxis für eine entscheiden, und da ich den Alb noch kenne, schreibe ich eben entsprechend. Durch die Christianisierung sind ja die holden und unholden Geister ein bißchen in Vergessenheit geraten ("Erlkönig"), was die Voraussetzung für das Schwinden der orthographischen Sicherheit war.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.10.2014 um 23.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26991

Die von der Duden-Redaktion getroffene Unterscheidung zwischen sonen und solchen Alben ist einerseits kaum plausibel, da die mythologischen Vorstellungen sich nicht so einfach gegeneinander abgrenzen lassen, und andererseits ist der schwache Plural eindeutig vorherrschend (wie auch bei den Elfen). Für die Frage der Stammschreibung ist es ohnehin unerheblich, ob es sich um einen schwachen oder starken Plural handelt.

Für die Schreibung mit b sprechen einerseits albus, Alberich usw., andererseits die Unterscheidungsschreibung zu Alp(en) gerade im Plural.

Pfeifers Etymologisches Wörterbuch führt aus: »Alb m. niederer, unterirdischer Naturgeist. Nach dem germanischen Volksglauben stehen die Alben, Elben, elbischen Wesen den Kobolden und Zwergen nahe (vgl. den Namen des Zwergkönigs Alberich ‘der die Macht und den Reichtum der Elben besitzt’; afrz. Alberon, frz. Oberon). Sie können die Menschen bedrängen und müssen daher versöhnlich gestimmt werden, so daß sie teils als feindlich, teils als freundlich angesehen werden. Ahd. alb (11. Jh.), mhd. alp, asächs. mnd. mnl. nl. alf, aengl. ælf, engl. elf, anord. alfr gehen möglicherweise wie ahd. elbiʒ, anord. elptr, ǫlpt, russ.-kslaw. lebedь, russ. lébed’ (лебедь) ‘Schwan’ und lat. albus ‘weiß’ auf ie. *albh- ‘weiß’ zurück, so daß das Wort als ‘weiße Nebelgestalt’ zu deuten ist. Doch auch eine Verbindung zu aind. ṛbhúḥ ‘geschickt, kunstfertig, Künstler, Schmied’ ist denkbar, da Zwerge und Elben als kunstfertige Schmiede gelten. Die christliche Kirche interpretiert die Elben als Dämonen, die mit dem Teufel im Bunde stehen. Die wenigen ahd. Belege verstehen unter alb bereits ein gespenstisches, heimtückisches Wesen, einen Nachtmahr, der später als Druckgeist aufgefaßt wird und durch seine drückende Last auf der Brust des Schlafenden Atembeklemmung verursacht, dafür heute meist ²Alp m.; vgl. Alpdrücken (um 1700), Alpdruck (um 1800), Alptraum (19. Jh.). Engl. elf wird im 18. Jh. als Elfe, ²Elf (s. d.) ins Dt. entlehnt; es setzt die den Menschen freundliche Einstellung elbischer Wesen fort, und die Elfen werden in der Romantik zu lieblichen Lichtgestalten idealisiert.«
 
 

Kommentar von Georg Hilscher, verfaßt am 08.10.2014 um 22.53 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26990

Viel mehr als die falsche Herleitung stört mich an der Ersetzung von "Zierat" durch "Zierrat", daß man die Schreibung mit zwei r ja genaugenommen anders aussprechen muß als die mit einem r: Wenn ich mich nur an der konkreten Schreibung und an den generellen Aussprachekonventionen im Deutschen orientiere, dann spreche ich das Wort "Zierrat" mit einem vokalischem r-Laut, einem a-Schwa, zwischen dem langen i und dem Zungen- oder Zäpfchen-r am Anfang der zweiten Silbe, während dieses a-Schwa bei "Zierat" nicht vorkommt.
Interessanterweise gibt das aktuelle Duden-Aussprachewörterbuch bei "Zierrat" sowohl die Aussprache ohne als auch die mit a-Schwa an – die ohne a-Schwa, also diejenige, die eher der Schreibung "Zierat" entspricht, übrigens als erste. Weiß jemand, ob vor der Rechtschreibreform auch schon beide Aussprachevarianten als korrekt galten?
Ich frage mich, warum die Reformer bei "Zierat/Zierrat" nicht genauso wie bei "selbständig/selbstständig" einfach beide Varianten zugelassen haben; die Fälle sind doch sehr ähnlich.
Und ich frage mich, ob ich mir einfach zu viele Gedanken mache.
Zum ursprünglichen Thema kann ich nicht viel beitragen: Ich mußte die "Sachliche Romanze" in der 10. Klasse zwar auswendig vortragen, aber nicht interpretieren. Allerdings weiß ich noch, daß ich das Wort "Kaffee" in dem Gedicht auf der zweiten Silbe betonen wollte, aber meine Deutschlehrerin auf der Betonung der ersten Silbe bestand.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.10.2014 um 22.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26989

Lieber Herr Markner,

die Antwort auf Ihre letzte Frage ist einfach: beide Mehrzahlformen sind falsch, wenn man den Wörterbüchern glauben darf.

Laut dem Großen Wörterbuch des Duden hat der für das Alpdrücken zuständige Geist Alb/alp die Mehrzahlform Albe/Alpe. Ein „unterirdischer Geist“, ebenfalls der Alb genannt, hat dagegen die Mehrzahl Alben. Die Alp (Berg) hat die Mehrzahl Alpen.
Laut DWB hat aber schon Luther von Alp (Mz. Alpe) die „falsche“ Mehrzahl Alpen gebildet.

Nach wie vor sehe ich keine klare Begründung dafür, warum Albtraum „in etymologischer Hinsicht die bessere Schreibung“ sein sollte.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.10.2014 um 01.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26981

Die Frage ist nicht, ob Albtraum zu Alben zu stellen ist, denn der etymologische Zusammenhang ist unzweifelhaft, die Frage ist lediglich, ob die Alben richtigerweise Alpen zu schreiben (und auszusprechen) wären. Manche Autoren waren dieser Meinung, wie z. B. ein Biograph Friedrichs des Großen, der 1834 dessen Vater wie folgt zitierte: »Er soll auch nicht ermangeln, sein Möglichstes zu thun, daß die Kobolde, Gespenster, Alpen, Irrwische, Wehrwölfe, verwünschte Leute und andere Satansgesellen ausgerottet werden«. Ob der Soldatenkönig das Wort tatsächlich so ausgesprochen hat, läßt sich aber nicht mehr feststellen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.10.2014 um 22.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26980

Man kann von einer Alb oder von einer Alp träumen. :-)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.10.2014 um 22.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26979

Die Frage bleibt unbeantwortet:

Ist Albtraum „in etymologischer Hinsicht die bessere Schreibung“?
Tatsache ist, daß die Behauptung, Albtraum sei richtiger, weil von den Alben abgeleitet, weit verbreitet ist. Der Beitrag von Herrn Ludwig ist dafür ein gutes Beispiel.

Die FAZ scheint das seit jeher zu glauben, der aktuelle Duden offenbar auch und, nach dem Titel seines Tagebucheintrags zu urteilen, anscheinend auch Prof. Ickler.

Einen Beleg für die genannte Behauptung habe ich aber bisher nicht finden können, eher für das Gegenteil. Was soll man also von dieser Behauptung halten? Ist sie mehr als eine „urban legend“?

Selbst wenn diese Behauptung stimmte, wäre das nicht unbedingt ein ausreichender Grund, vom bisherigen überwiegenden Gebrauch abzuweichen.

Angesichts der Variantenschreibung Alp/Alb scheint es doch eher so zu sein, daß die Schreibungen Alptraum/Albtraum etymologisch gleichermaßen berechtigt sind. Jedenfalls sehe ich keinen Grund, die Schreibung Alptraum als „volksetymologisch“ zu bezeichnen.

Wenn beide Schreibungen gleichberechtigt sein sollten, dann stellt sich die Frage, welche man denn persönlich bevorzugen sollte. Das kann aus meiner Sicht nur Alptraum sein:
1. Es handelt sich um die bis zur Reform überwiegende Schreibung.
2. In jedem Fall wird der b/p-Laut stimmlos gesprochen. Wenn keine zwingenden Gründe für die b-Schreibung sprechen, dann ist die p-Schreibung das Normale.

Ob man in ein Wörterbuch beide Schreibungen aufnehmen sollte oder nicht, ist aber eine ganz andere Frage und eine reine Ermessensentscheidung.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.10.2014 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26974

Wie Herr Ludwig schon andeutet, geht es im Grunde darum, wie der Plural (oder der Genitiv) von Alb lautet, denn der Zusammenhang von Alb und Albtraum ist nicht von der Hand zu weisen. Die Schreibung Alpen als Plural von Alp läßt sich durchaus auffinden, ist aber selten, und so ist man auf Umwegen wieder bei der Orientierung am Usus angelangt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2014 um 06.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26967

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr hat man das Gefühl, es gehe einem ein Mühlrad im Kopf herum. Wir sind uns doch von Anfang an einig gewesen, daß die Etymologie nicht über die Schreibweise entscheidet, schon gar nicht eine punktuell ausgegrabene ("behände"); daß aber andererseits eine etymologisch korrekte und noch nicht ganz aus dem Bewußtsein entschwundene ("Zierat") auch nicht verboten werden sollte. Zu letzteren würde ich "Albtraum" stellen. Es gibt noch genug Zeitgenossen, die nicht erst an den "Alb" erinnert werden müssen und denen es ebenso viel Pein bereiten würde, "Alptraum" schreiben zu müssen wie "Zierrat".
(Ich gebe zu, daß ich "Zierrat" auch schon vor der Reform nicht ganz selten gelesen und es trotzdem nicht in mein Wörterbuch aufgenommen habe. Es gibt noch ein paar andere Fälle, wo ich meinem deskriptiven Credo untreu geworden bin, durchaus mit Absicht.)
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 06.10.2014 um 23.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26966

Ich habe auch "schon immer" Albtraum mit [p] gesprochen und mit "b" geschrieben, wohl, weil mir irgendwer mal die Pluralform von dem Alb hier vorgesprochen hat. Und die hatte nichts mit den Alpen zu tun. Da gibt's, meine ich, irgendwo auch eine bildliche Darstellung zum "Alpdruck", wo also ein böser kleiner, aber gewichtiger Alb auf der Brust eines schlecht Schlafenden sitzt und da seinen Unsinn treibt. Hätte man sich vorgestellt, daß die auch zu zweit da säßen und einen im Schlaf bedrückten, kennte sicher auch das Grimmsche Wörterbuch Albdrücken. Daß man sich beim Albtraum wie von einem Alp oder einer Alpe der gewichtigen Alpen bedrückt fühle, habe ich zwar auch gehört, aber das war für mich schon immer reinste Volksetymologie.

 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.10.2014 um 22.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26965

„Es ist in etymologischer Hinsicht die bessere Schreibung.“

Bisher war ich der Meinung, entscheidend für die Schreibung sei der Usus. Die klar überwiegende Schreibung bis 1996 war Alptraum. Prof. Ickler hat zwar die seltenere Schreibung Albtraum in sein Wörterbuch mit aufgenommen, wie weit man allerdings solche Variantenschreibungen in einem Wörterbuch berücksichtigen sollte, ist Ermessensfrage.

Gäbe man nun der Etymologie den Vorrang, um die Schreibung Albtraum vorzuziehen, würde man ein weites Feld eröffnen, einen neuen Tummelplatz für Reformer schaffen, wenn man nicht gar wieder bei der im 19. Jahrhundert mühsam überwundenen Grimmschen historischen Orthographie landet.

Woraus ergibt sich denn eigentlich, daß Albtraum „in etymologischer Hinsicht die bessere Schreibung“ sei?

Im Internet findet man die Aussage, Albtraum sei richtiger, weil das Wort von gewissen Berggeistern, den Alben, abgeleitet sei. Schaut man genauer hin, findet man aber, daß hier das gleiche Variantenproblem auftritt: Mal heißt der Berggeist Alb, mal heißt er Alp.

Adelung (1793) kennt nur den Alp und das Alpdrücken. Das Grimmsche Wörterbuch nennt zwar neben Alp auch Alb, kennt aber andererseits nur den Alpdruck. Das Etymologische Wörterbuch von Friedrich Kluge (4. Aufl. 1889) enthält nur Alp und Alpdrücken.

Zumindest scheint sich doch daraus zu ergeben, daß die Schreibung mit p seit mindestens zwei Jahrhunderten überwiegt.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 06.10.2014 um 12.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26955

Hier fallen aber die beiden Prozesse Auslautverhärtung und Assimilation zusammen, außerdem dürfte nicht jedem die Herkunft von Alb = mythologisches Wesen bewußt sein. Und neben den ALPen gibt es noch die Schwäbische ALB.

Unser Deutschunterricht war damals zu sowas wie ''Linke Ethik'' verkommen, da die Fragen zu den Texten immer wieder auf linke Moralvorstellungen hinausliefen. Als Gedicht gab es z. B. Else Lasker-Schülers Traumwäscherei.

Es ist nur aber manchmal so, Herr Riemer, daß ein Gedicht nun überhaupt keinen Sinn haben kann, vielleicht gerade deshalb, um zu zeigen, daß wir zuviel hineininterpretieren wollen. Ev. könnte ein Leser auch einen Sinn hineininterpretieren, wo es keinen gibt. Ich denke aber nicht, daß Gedichte dazu da sind, herauszufinden, ob sich der Schüler dabei etwas Vernünftiges denkt, denn dabei müßte zuerst definiert werden, was vernünftiges Denken ist.

Zusätzliche Interpretationsmöglichkeiten ergeben sich von selbst, ohne daß sie der Autor explizit hineinschreibt. Es wäre deshalb interessant, die vom Autor intendierte Interpretation des Gedichts zu kennen um zu sehen, wie weit die einzelnen Schüler/Leser davon abweichen. Dafür müßte aber der Autor selbst eine Interpretation seines Werkes schreiben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.10.2014 um 11.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26954

Etwas "hineinzuinterpretieren" muß man nicht als "Gefahr" sehen. Auch das wahre Leben kann man oft so oder so deuten, ebenso Erdichtetes.

Die Schule soll vermitteln, Gedichte überhaupt zu verstehen. Wie kann der Lehrer überprüfen, ob sich ein Schüler etwas Vernünftiges dabei denkt? Dann muß der Schüler sich eben dazu äußern, deshalb immer wieder die Interpretationen in der Schule.

Ich lese gern die Frankfurter Anthologie (FAZ). Wenn mich ein Gedicht anspricht, lese ich auch die Interpretation. Manchmal überrascht mich eine etwas andere Sicht, oft erfahre ich interessante Hintergründe.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.10.2014 um 11.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26953

Die Auslautverhärtung stellt sich von ganz alleine ein und muß von der Schreibung nicht wiedergespiegelt werden.

Das Gedicht von Kästner widersetzt sich der Interpretation. Man kann nur irgendwie drüber reden; dann wird der Deutschunterricht zur Reli-Stunde.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 06.10.2014 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26952

Bei Texten, besonders auch bei Gedichten, besteht natürlich immer die Gefahr, daß man da was reininterpretiert, was vom Autor gar nicht intendiert war.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 06.10.2014 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26951

Ist nicht eine Assimilation des b an das t zu erwarten, und deshalb Alptraum, insbesondere auch wegen der Auslautverhärtung?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2014 um 04.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26949

Ich habe zwar der volksetymologischen Schreibung ihr beschränktes Recht zugestanden, selber aber, wenn ich mich recht erinnere, nie anders geschrieben als die FAZ (vor und nach der Reform). So auch in meinem Wörterbuch.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.10.2014 um 00.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26948

Es ist in etymologischer Hinsicht die bessere Schreibung.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.10.2014 um 22.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1622#26947

"Albtraum"?

Das ist nicht nur eine Reformschreibung, sondern – fast noch schlimmer – eine Dudenempfehlung.
 
 

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