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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.07.2010
 

Dicke Texte
Abnehmen, ohne zu hungern!

Wie schon Jesus sagte, sollen wir ja und nein sagen und weiter nichts, auch nicht schwören, aber das steht wieder auf einem anderen Blatt.

Wir entwerten unsere Sprache, wenn wir ständig zu den stärksten Worten greifen. Das fängt schon mit Bejahung und Verneinung an. Statt Jesus sagte heißt es also kein Geringerer als Jesus sagte, und statt das ist nicht klar sagt man das ist alles andere als klar. Wirklich alles andere? Göttert schreibt in seinem Buch "Deutsch": Die deutsche Sprache soll sich alles andere als verstecken. (S. 370) Was soll sie sich denn noch? Und das schreibt nun ein Germanist, der viel über Stilistik veröffentlicht hat.



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Kommentare zu »Dicke Texte«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.11.2021 um 14.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#47496

"Die Pandemie ist alles andere als vorbei."

Alles andere? So viele Möglichkeiten gibt es doch gar nicht. Sie ist eben nicht vorbei.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.05.2020 um 19.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#43631

Noch zum Substantivstil, bei sowas könnte ich auch immer eine Krise kriegen:

Die vom Hersteller gemachten Reichweitenangaben ...
(Elektrofahrradwerbung)

Kann man denn wirklich nicht einfach schreiben:
Die vom Hersteller angegebenen Reichweiten ...?

angeben anstatt Angaben machen.
einkaufen anstatt Einkäufe tätigen,
anzeigen anstatt zur Anzeige bringen
usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2018 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#38357

Evolutionsbiologen könnten bestimmt erklären, warum das nicht geht. Und wenn die kümmerlichen Brustwarzen nicht stören – warum sollte man sie aufwendig wegprogrammieren?
Man könnte auch an die angeblich überflüssigen kleinen Zehen denken: Wahrscheinlich ist es einfacher, Hände und Füße gleichermaßen mit fünf Fingern anzulegen, statt den Füßen eine Extrawurst zu braten. Warum gehen wir nicht gleich auf behuften Mittelfingern?

Uns interessieren natürlich eher die kulturellen Relikte, vor allem der sprachliche Ballast (Genus usw.).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.03.2018 um 13.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#38356

Dort steht als Erklärung, warum Männer Brustwarzen haben:
Am Anfang der Entwicklung von Föten ist das Geschlecht noch nicht herausgebildet. Genau dann werden Brustwarzen aber bereits angelegt.

Damit wird nichts beantwortet, die Frage nur verlagert. Sie lautet dann eben: Warum werden Brustwarzen schon zu einer Zeit angelegt, wo noch gar nicht klar ist, ob sie überhaupt einmal gebraucht werden? Effektiver schiene es doch, zuerst das Geschlecht herauszubilden und danach ggf. die Brustwarzen anzulegen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.03.2018 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#38341

Nochmals zum bombastischen alles andere als:

Deshalb haben auch Männern Brustwarzen, obwohl sie bei ihnen alles andere als lebensnotwendig sind. (https://www.srf.ch/news/panorama/braucht-man-das-noch-oder-kann-das-weg)

Die Formel hätte Sinn, wenn die männlichen Brustwarzen etwa schädlich wären.

Übrigens habe ich öfter gelesen, beim Mann seien die Brustwarzen erogene Zonen. Das wäre ja ein Nutzen.

Bei mir gehören sie zu den überflüssigen Relikten der Evolution, ich weiß aber wenigstens, warum ich welche habe.

Relikte sollen außerdem sein: Weiheitszähne (machen wirklich nur Ärger!), aufrichtbare Haarbälge (Gänsehaut, schon besprochen), Steißbein: zu Unrecht hierhergestellt: Mandeln, Appendix (beide nicht notwendig, aber zeitweise nützlich).

In der Kulturgeschichte gibt es sicher die meisten Relikte, auch schädliche, deren negative Wirkung aber durch anderes ausgeglichen wird.

„People do not observe particular practices in order that the group will be more likely to survive; they observe them because groups which induced their members to do so survived and transmitted them.“ (Skinner, hier schon zitiert:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1587

Soweit es es eben reicht, d. h. nicht sehr weit.
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 12.07.2017 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#35691

Zwar stören wir uns schon seit Jahren an diesem "modischen" Zeitungs-Konstrukt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2017 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#35608

Hier zum Beispiel haben Sie Verbündete:

https://dnesser.wordpress.com/2011/09/23/zwar-aber/

https://www.bod.de/autorenpool/zwar-aber-t16443.html
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.07.2017 um 13.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#35606

Außerdem empfinde ich es auch als holprigen Stil, zwei Hauptsätze (1) und (2), die in der Art
Zwar (1), aber (2).
zusammengehören, in zwei einzelne Sätze aufzuspalten. Was soll das? In der FAZ steht hier:
Zwar (1). Doch (2).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2017 um 11.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#35605

Nehmen wir einen beliebigen deutschen Satz:

Zwar hat sich nach der Anfangseuphorie die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Gros dieser Personen von den qualifikatorischen und sprachlichen Anforderungen eines hochentwickelten Arbeitsmarktes noch weit entfernt ist. (FAZ 6.7.17)

Das ist durchschnittlich unangenehm zu lesen. Schon ziemlich früh spürt man: Das wird nix. Qualifikatorische Anforderungen – das Adjektiv ist Wortbildungsakrobatik, die den Substantivstil retten soll. Das Gros ist ein überflüssiges Wort, außerdem klingt es häßlich, wie ein Rülpser; habe ich noch nie benutzt. Ein wenig "klassische Dämpfung" tut außerdem immer gut, also könnte man versuchen:

Zunächst hoffte man, daß die Zuwanderer sprachlich und fachlich bald auf den Arbeitsmarkt vorbereitet sein würden. Diese Hoffnung hat sich in den meisten Fällen nicht erfüllt.

Oder:

Entgegen den Erwartungen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die meisten Zuwanderer nicht über genügend Sprach- und Fachkenntnisse verfügen, um eine Arbeit aufzunehmen.

Oder tausend andere Möglichkeiten. Keine "bedeutet dassselbe" wie der Ausgangstext. Na und? War der so wertvoll?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2017 um 06.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34646

Widerstand gegen Erdogan-Auftritt in Deutschland!

Ohne Ausrufezeichen könnte diese Überschrift in jeder Zeitung stehen, mit Ausrufezeichen nur in der BILD. Das ist eben der genannte "Schreistil".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2017 um 07.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34582

Lesen stumpft ab, am Ende des Tages schluckt man alles. Am nächsten Morgen blickt man mit der Unschuld des neugeborenen Kindes in die Welt und wundert sich über deren Verderbtheit.

Nehmen wir Wortgebilde wie benötigen, beinhalten. Wenn es sie nicht schon gäbe und jemand sie ad hoc bildete, würden wir ihn für verrückt halten. Also: brauchen, enthalten. Wir nehmen uns vor, nie wieder so verkorkst zu reden und zu schreiben. Aber der Tag schreitet voran...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2017 um 14.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34385

Weitere Varianten:

alles, nur nicht...
alles andere, nur nicht...


Das sind lauter Übertreibungen, die letzten Endes nur die Negation fülliger machen sollen. Schon keineswegs, keinesfalls, gar nicht sind oft übertrieben, und ich beschäftige mich immer wieder damit, sie aus meinen Texten herauszustreichen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.01.2017 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34384

Man sagt z. B.
X ist alles in einem
X ist alles gleichzeitig

aber nicht
X ist alles,
wenn nicht gerade von Gott die Rede ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.01.2017 um 11.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34382

Unter alles andere als still würde ich einfach nur verstehen, er war ziemlich laut.

Unter alles, aber/nur nicht still würde ich eher verstehen, er hatte alle möglichen guten Eigenschaften (z. B. bescheiden, direkt, gut verständlich), nur still war er nicht.

Das zweite läuft natürlich auch darauf hinaus, daß er laut war, ich lese daraus aber zusätzlich, daß dies eigentlich die einzige schlechte Eigenschaft war. So ist es aber bei Welt online sicherlich nicht gemeint.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.01.2017 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34381

Ja, »ohne den Schatten eines Zweifels« (Florian Coulmas).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2017 um 09.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#34380

Statt alles andere als liest man auch diese Wendung:

Donald Trumps erstes Wochenende als US-Präsident war alles, aber nicht still. (Welt online 23.1.17)

Mir kommt das wie ein Anglizismus vor.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2016 um 06.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#32808

Durch einen Vorabdruck macht die FAZ heute auf den Neudruck von Eduard Engels "Deutscher Stilkunst" aufmerksam. (Die Andere Bibliothek, zwei Bände)

Die Ausgabe wird durch ein sehr schönes Vorwort von Stefan Stirnemann eingeleitet, dem besten Kenner.

Für mich geht damit ein jahrzehntealter Wunsch in Erfüllung.

Nachdruck und Vorabdruck sind selbstverständlich unreformiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2016 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#32191

Die Möglichkeit zur attributiven Verwendung gilt als zentrale Verwendung der Wortart Adjektiv.

= Die wichtigste Verwendung des Adjektivs ist die attributive.

= Adjektive werden hauptsächlich attributiv gebraucht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2016 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#32180

Man verhält sich anders, wenn nur begrenzte Zeit für ein Gespräch zur Verfügung steht, als wenn der Zeitrahmen unbeschränkt ist. (Schülerduden-Grammatik 2010:446)

Ein unbeschränkter Rahmen ist ein hölzernes Eisen, und das Ganze könnte überhaupt schlichter ausgedrückt werden:
Man spricht verschieden je nachdem, wieviel Zeit man hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2016 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#31404

Eine andere Floskel, die man überall hinzufügen kann, um seine Rede "lauter" zu machen, ist: nicht mehr, aber auch nicht weniger. Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=905#24297

Für Steinbrück war es ein solider Auftritt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. (BILD 8.10.12)

Kopenhagen ist ein erster Schritt hin zu einer neuen Weltklimaordnung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Bundeskanzlerin Merkel 21.12.09)

Gestern hörte ich im Vorbeiradeln, wie eine Frau zu einer anderen sagte:

das hat keinen negativen Effekt auf die Haut

Wie seltsam die Leute reden! Fach- und Werbesprache gehen in den Alltag über, man merkt es schon gar nicht mehr. Wenn Luther ihnen heute "aufs Maul schauen" und herausfinden wollte, wie "der gemeine Mann" spricht, würde er eben so etwas finden und nicht das schadet der Haut nicht, wie es doch eigentlich naheliegt.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 21.01.2016 um 09.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#31399

Zu #27065

Vor Leuten, die die erste und zweite Aussage machen, würde ich davonlaufen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 21.01.2016 um 07.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#31398

Je nach Örtlichkeit leicht schwankend, dann wieder zu heftigen Ausschlägen neigend, vorhersehbar lange niedrig, überraschend hoch … alles andere als konstant eben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2016 um 06.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#31397

Laute Musik macht schwerhörig, muß also lauter werden, damit man sie hören kann, wodurch man aber noch schwerhöriger wird...

Der Anteil der Sonnenstrahlung, die den Erdboden erreicht, ist alles andere als konstant. (FAZ 20.1.16)

Er ist halt nicht konstant, was soll er noch alles sein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2015 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#29693

Ein bedeutender Stillehrer wie Eduard Engel hat auch musterhafte Texte herausgegeben, an denen man sich erfreuen und vielleicht stilistisch emporranken kann. Aber dieser Nutzen liegt in weiter Ferne und bleibt ungewiß, sonst würden nicht so viele Germanisten so schauderhaft schreiben. In seiner "Stilkunst" bringt er fast nur abschreckende Beispiele. Er will uns die überflüssigen Fremdwörter verekeln und vor allen Dingen das Bombastische und Unwahrhaftige des sprachlichen Imponiergehabes einfach dadurch bloßstellen, daß er es aus dem Zusammenhang reißt. Dieser Zusammenhang ist das Fatale - nicht nur als Kontext verstanden, sondern als Kommunikationsgemeinschaft und Milieu (Milljöh).

Das ist die beste Methode. Die Verfasser des "Wörterbuchs des Unmenschen" haben es, freilich in schlechter Weise und am ungeeigneten Gegenstand, dadurch bewiesen, daß sie uns ganz harmlose Wörter auf viele Jahre ausgetrieben haben.

Wenn man die "sprachliche Pracht" immer wieder ausstellt, wie wir es hier machen, wird sie einem verleidet, und das ist ja der Zweck der Übung und das A und O des guten Stils.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2014 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#27065

In wissenschaftlichen Texten wird man kaum Ausrufezeichen finden, die gehören in den Alltag und die populäre Schreibweise. Der besondere Charakter der Theologie im Unterschied zur nicht-missionierenden Religionswissenschaft bringt es mit sich, daß manchmal die appellierenden Ausrufezeichen verwendet werden. Vor einiger Zeit las ich Bernhard Maurer: Einführung in die Theologie. Göttingen 1976. Der (evangelische) Verfasser setzt Ausrufezeichen hinter die trockensten Aussagen:

"Jetzt kann der Mensch die mit dem Eintritt in die Geschichtlichkeit bewußt gewordene Verantwortung für sich und die Welt ganz ergreifen!" (14)

"Ob der vierte Mensch kommen wird, ist eigentlich keine theologische Frage mehr. Er ist bereits da!" (21)

"Die Säkularisation beginnt schon im Neuen Testament!" (62)

Da kommt überall der Kanzelredner zum Vorschein. Für die katholischen Theologen ist diese Doppelrolle ausdrücklich vorgeschrieben:
http://www.katholische-theologie.info/Portals/0/docs/Glaubenskongr_Instr.Theol%205-1990.pdf
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2014 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#26615

Aufgaben und Herausforderungen

Der Trend hin zu mehr Leichter Sprache ist positiv. Doch sowohl im staatlichen als auch im gesellschaftlichen Bereich bestehen noch große Herausforderungen. Wo liegen aus der Sicht der UN-BRK weitere Aufgaben für die Zukunft?
(Aus Politik und Zeitgeschichte 64/9-11, 2014)

Der nichtunterscheidende Kontext beweist unwiderleglich, daß die beiden Ausdrücke hier dasselbe bedeuten, Herausforderung also nur der synonymischen Variation, in der Überschrift sogar nur der Wichtigtuerei dient.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2014 um 06.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#25126

Was Herr Riemer im Diskussionsforum zitiert, war mir auch aufgefallen, aber nicht so sehr wegen der Rechtschreib- und Druckfehler als wegen der typischen Aufblähung:

die Erkenntnis, das Asteroiden alles andere als homogen aufgebaut sein können (FAZ 12.2.14)

"alles andere als homogen" - was wird das schon sein? Wahrscheinlich heterogen. Oder einfach ungleichartig, ungleichmäßig.

Jeder Text gewinnt, wenn man die Überbietungsfloskeln herausstreicht.


 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 16.01.2014 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#24858

Noch zu "Die ständige Übertreibung ist im natürlichen Sprechen angelegt" (#16470): Eben im Wetterbericht mit den Verkehrshinweisen gehört: Der Blizzard, diesmal nicht durch neuen Schneefall, sondern waagerecht gejagten Schnee verursacht, "is slowing things up." Bisher kannte ich nur "slow (something) down." Die Adverbien "up" und "down" bedeuten hier also dasselbe — und das, wo "slow" allein doch eigentlich schon dasselbe bedeuten würde. Aber offenbar kommt's einem mit einem Adverb am leichtesten über die Lippen. — Zum Schönen des Schrecklichen bei Rilke (#24841): Ja, das ja ganz gewiß nicht einfach übertrieben, sondern ganz sicher etwas völlig anderes.
(Übrigens: ja = urspr. wahr[lich]; vgl. engl. Truly, truly, I say to you <= Verily, verily, I say [un]to you <= Yea, yea, I say unto you.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2014 um 07.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#24844

Die Frage, welche Herausforderungen dem Bildungswesen hieraus erwachsen und wie dieses sie lösen kann, findet in der Pädagogik im allgemeinen recht wenig Beachtung. (Aus einer Verlagsankündigung)
Aufgaben löst man, Herausforderungen werden beantwortet. Der Text zeigt, daß der Verfasser immer noch an Aufgaben denkt, obwohl er Herausforderungen sagt.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 13.01.2014 um 22.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#24841

Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen... (Rilke)

Weshalb der Stillehrer sich erst einmal in Ruhe die Nase putzen sollte, bevor er ausgerechnet "schrecklich schön" als widersprüchlich tadelt (besser wohl noch: statt dessen). Womit ich aber nichts gegen Ihre Ausführungen im übrigen gesagt haben will, lieber Herr Ludwig.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.01.2014 um 19.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#24818

Oxymoron. Heinz Rümann: "Hübsch häßlich habt ihr's hier."
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 10.01.2014 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#24817

"Es gehört schon viel Erfahrung, Überlegung und Selbstbeherrschung dazu, sich beim Schreiben zurückzuhalten und auf das Prinzip "Weniger ist mehr" zu vertrauen." Im Schriftlichen ist wohl sicher weniger mehr; geredet tun diese eigentlich nichts weiter sagenden Unterstreichungen aber etwas, was der Mitteilung dient. Möglich wäre schon, sie mal wegzulassen, aber dann dafür eine Pause einzusetzen — und so die ganze Wucht des Kommenden wirken zu lassen. Interessant ist bei der Art dieser Unterstreichungswörter, daß sie oft negative Bedeutung haben (unheimlich, verdammt, wahnsinnig usw.), weshalb bei "schrecklich schön" der Stillehrer da schon mal einhakt und auf den inneren Widerspruch hinweist. Aber wir, die wir dem Rat dann zustimmend folgen, übersehen dabei geflissentlich, daß auch der vorgeschlagene Ersatz "sehr" auf "krank/krankhaft" (vgl. engl. sore; dt. versehrt) zurückgeht, — weshalb Herr Wrase völlig recht hat: "Die ständige Übertreibung ist im natürlichen Sprechen angelegt."

Daß "aus der kleinsten Aufgabe eine 'Herausforderung' geworden ist" geht aufs amerikanische "challenge" zurück, wo — und ich kenne das besonders aus dem Collegeleben — vor etwa einem Viertel Jahrhundert eben auch jede traditionelle Arbeit auf einmal besonders verwaltet werden mußte und daher auch erregend neu bezeichnet werden mußte, was gleich gewitzten Verwaltern einen größeren Bürostab zugestehen mußte, was dann wiederum deren eigene Position sicherte. Solchen Typen war in Deutschland die Rechtschreibung so eine "challenge".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2014 um 07.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#24814

Es ist die ureigenste Aufgabe der Jägerschaft, für den Arten- und Lebensraumschutz zu sorgen. (Kleine Zeitung 11.10.13)

= Die Jäger müssen für den Arten- und Lebensraumschutz sorgen.

Das Wort ureigenst kann immer wegfallen, und das Ergebnis ist immer besser als das aufgedunsene Original.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2010 um 17.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#16472

Genau das wollte ich sagen. Eduard Engel und sein Plagiator haben den "Schreistil" kritisiert. Bin dabei, aus meinen eigenen Texten alle "sehr" usw. zu streichen. Haben wir schon mal darüber gesprochen, daß in den letzten Jahren aus der kleinsten Aufgabe eine "Herausforderung" geworden ist? Man braucht keine statistischen Untersuchungen anzustellen, um das zu behaupten.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.07.2010 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1326#16470

Jesus sagte: Das Ja sei ein Ja, das Nein sei ein Nein. Es ging ihm um Verläßlichkeit. Man soll den anderen nicht irreführen, man soll nicht heucheln. Wir sollen das sagen, was wir meinen, und zu dem stehen, was wir sagen. Da geht es nicht um die Ausdrucksweise, sondern um Aufrichtigkeit.

Die ständige Übertreibung ist im natürlichen Sprechen angelegt. Wer redet schon ganz nüchtern? Die eigenen Bewertungen werden regelmäßig unterstrichen: Man findet etwas oder jemanden ganz toll, unheimlich aufregend, total daneben, absolut kraß, mega-out, verdammt anstrengend, unglaublich süß, wahnsinnig doof, einfach nur ätzend usw. Das ist die normale Ausdrucksweise von Menschen, die sich einander lebhaft mitteilen. Der Schreiber, der sich der Wirkung seiner Mitteilung auf den Leser nicht vergewissern kann, empfindet wiederum einen Anreiz, lieber dick aufzutragen, damit die Botschaft auch ja ankommt. Es gehört schon viel Erfahrung, Überlegung und Selbstbeherrschung dazu, sich beim Schreiben zurückzuhalten und auf das Prinzip "Weniger ist mehr" zu vertrauen.
 
 

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