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»Darf man so sagen – oder schreiben?«


Beiträge zum Thema

»Pluraletantums
Duden auf Abwegen – und das seit 127 Jahren«

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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 05.01.2013 um 10.20 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#9845


Zu Singulariatantum: "Santiago de Chile (dpa) - Unbekannt haben auf eine Farm in Chile einen Brandanschlag verübt." (04.01.2013 22:55 Uhr)

Man erstattet ja Anzeige gegen "Unbekannt". Aber ist das auch eine Pluralform?
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Christoph Schatte
Poznan

Dieser Beitrag wurde am 10.07.2007 um 09.58 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2048


Daß "dialegomai" in bestimmten kanonischen Texten altsprachlicher Gymnasien die Bedeutung `ich verstehe´ hat, ist allseits bekannt (es kann auch `zerlegen´ bedeuten). Es handelt sich dabei allerdings um eine stark kontextsensitive Bedeutung, weshalb z.B. der Menge das Lemma des sekundären (medialen) "dialegomai" nicht hat.
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David Konietzko
Bad Homburg vor der Höhe

Dieser Beitrag wurde am 08.07.2007 um 20.03 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2044


dialego heißt ‚ich wähle aus‘ u. ä.; was Sie meinen, ist dialegomai. Daß Dialog, wenn man nach dem griechischen Ursprung geht, einfach nur ‚Gespräch‘ bedeutet, war mir bekannt; aber da Professor Ickler nach eigenem Bekunden nichts gegen „falsche“ Pluralformen griechischer Wörter hat, wenn sie nur hinreichend üblich sind, könnte er auch „falsche“ Bedeutungen in sein Wörterbuch aufnehmen, wenn die „richtige“ vielen Gebildeten nicht mehr bekannt ist. Dies ist meines Erachtens auch beim Wort Dialog der Fall (allerdings sollte die „eigentliche“ Behauptung nicht für falsch erklärt werden); also: „(Gespräch, insbes. Zwiegespräch)“. Das auf diesem weitverbreiteten Irrtum beruhende Wort Trialog ist durch Prof. Ickler inzwischen ja auch zu Wörterbuchehren gekommen. Hier wird also ein und derselbe Fehler einmal abgelehnt, ein andermal akzeptiert. Man könnte zwar einwenden, ein Zwiegespräch sei immer auch ein Gespräch, aber wenn ein Wort zum Beispiel jeden Tisch, vor allem aber Tische einer besonderen Art bezeichnen kann, dann sollte man meiner Meinung nach im Wörterverzeichnis nicht einfach „(Tisch)“ angeben.

Übrigens hat, wenn ich mich nicht täusche, Prof. Ickler die Trennung Di-alog einmal so gedeutet: logos heißt u. a. ‚Vernunft‘, a-logos (mit alpha privativum) heißt ‚unvernünftig‘, di-alogos müßte also ‚doppelt unvernünftig‘ heißen. Damit ist diese Trennmöglichkeit treffend charakterisiert.
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Christoph Schatte
Poznan

Dieser Beitrag wurde am 08.07.2007 um 18.39 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2042


Der Dialog hat etwas mit sich unterhalten zu tun: dialego -- ich unterhalte mich mit und mit dialektos -- Unterredung zu tun. Dazu gehören, sieht man von Selbstgesprächen ab, mindestens zwei. Es dürfen aber auch mehr, evtl. Polyglotte, sein, ohne daß man das Vergnügen umbenennen muß. Nun kann man noch die möglichen (und unmöglichen) Silben- und Morphemtrennungen an seinem geistigen Auge vorüberziehen lassen, so uns demnächst in der neuesten aller neuen Rechtschreibungen zu begegnen drohen.
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David Konietzko
Bad Homburg vor der Höhe

Dieser Beitrag wurde am 02.07.2007 um 12.23 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2016


Professor Ickler hat argumentiert: „Die beiden Trennweisen werden ja niemals als gleichwertig gelten, sondern es wird immer die bessere Trennweise der Kundigen einer behelfsmäßigen, zweiklassigen Trennung durch die Unwissenden gegenüberstehen.“ [...] „Welcher Mediziner wird den Fachausdruck für eine Fehlgeburt A-bort oder gar lateinisch A-bortus schreiben?“ (Falsch ist richtig, S. 98-100). Gilt Entsprechendes nicht auch von Pluraletantum? Der erwähnte Fall, daß Pluraletantums unter Sprachwissenschaftlern einmal üblich werden könnte, ist daher wohl nur hypothetisch. Wenn er aber einträte, müßte diese Pluralform tatsächlich in die Wörterbücher aufgenommen werden, wie ja auch Trialog Eingang in die Normale deutsche Rechtschreibung gefunden hat. Ein Hinweis auf den zugrundeliegenden Irrtum wäre allerdings nicht verkehrt. (Dagegen spricht nur die Konzeption als Spezialwörterbuch für Rechtschreibung; in einem umfassenden Wörterbuch wäre er auf jeden Fall angebracht.)

Nachtrag: Dialog wird im Ickler als „Gespräch“, nicht als „Zwiegespräch“ erläutert. Da jedoch der Glaube an die „falsche“ Bedeutung (auch unter Gebildeten) sehr verbreitet ist, hätte die Bedeutungserklärung auch so lauten können: „(Gespräch, insbesondere Zwiegespräch)“ oder „(Zwiegespräch, eigentl. Gespräch)“.
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K. Bochem
Köln

Dieser Beitrag wurde am 02.07.2007 um 00.39 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2012


... nicht als Altphilologe habe ich "Pluraltetantums" nicht aufgenommen, sondern weil die Belege nichts Nennenswertes hergeben. ... wenn es nicht üblich ist, dann geht es halt nicht.
Meiner Meinung nach kann man das nicht oft genug betonen. Dieses Prinzip scheint nur schwer Fuß fassen zu können.
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Verschoben
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 01.07.2007 um 17.08 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2008


Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.07.2007 um 14.19 Uhr

Als Entschuldigung mag gelten, daß Substantiva auf Nom.Sg. -e (der i- und Mischdeklination) relativ selten sind, Grammatik-Paradigma: Sg. mare, Pl. maria, n. (Meer). Häufig ist die Neutrum-Form der Adjektiva auf Nom.Sg. -is: n.Sg. leve, n.Pl. levia (leicht).

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2007 um 10.22 Uhr

Herr Konietzko macht mir ein Kompliment, weil ich als Altphilologe in meinem Wörterbuch als einziger die Pluralbildung von Pluraletantum angemessen dargestellt habe. Ganz verdient ist das Lob nicht, denn nicht als Altphilologe habe ich "Pluraltetantums"nicht aufgenommen, sondern weil die Belege nichts Nennenswertes hergeben. An sich habe ich gegen die "Pluraletantums", wie in Dudens Wörterbuch von 1880, nichts einzuwenden. Aber wenn es nicht üblich ist, dann geht es halt nicht.
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David Konietzko
Bad Homburg vor der Höhe

Dieser Beitrag wurde am 01.07.2007 um 00.09 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=122#2003


Professor Ickler gibt in seinem Rechtschreibwörterbuch (2004), wie es sich für einen Altphilologen gehört, nur die Pluralformen Pluraliatantum und Singulariatantum an. Mit Erstaunen bemerke ich, daß bereits im Urduden von 1880 und in allen mir zur Verfügung stehenden späteren Auflagen (1954 West, 1991, 1996, 2000, 2004, 2006) daneben auch Pluraletantums zugelassen ist. (Man bedenke, daß Konrad Duden ebenfalls Altphilologe war, Dissertation: De Sophoclis Antigona.) Das 1880 inkonsequenterweise fehlende Singularetantum ist mitsamt den Pluralformen Singularetantums und Singulariatantum spätestens seit 1954 ergänzt. In allen reformierten Auflagen büßen die Singularetantums ihr -s ein; da es aber weiterhin Pluraletantums heißen soll, handelt es sich wohl um ein Versehen (das also seit elf Jahren nicht bemerkt wurde). Übrigens sollte 1880 der Genitiv noch des Pluraletantum lauten, seit spätestens 1954 heißt es aber stets des Pluraletantums und des Singularetantums.)

Das Duden-Fremdwörterbuch (1997) und der Duden „Richtiges und gutes Deutsch“ (2001) geben erwartungsgemäß für beide Wörter beide Pluralformen an.

Lutz Mackensens „Deutsches Wörterbuch“ (Nachdruck 2006) kennt nur Singulariatantum, aber Pluraliatantum und Pluraletantums und bildet den Genitiv stets mit -s. Das WDG (Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, erarbeitet von 1952 bis 1977 an der Akademie der Wissenschaften der DDR) nennt nur die „altphilologisch korrekten“ Pluralformen; die Genitive lauten des Singularetantums, aber des Pluraletantum.

Die Plurale- und Singularetantums gehören in dieselbe Kategorie wie das Inte-resse und die O-blate: sie werfen ein ungünstiges Licht auf die Kompetenz dessen, der sie benutzt, und haben daher in einem Wörterbuch, das ja den Sprachgebrauch der Gebildeten darstellen soll, nichts zu suchen. Prof. Dr. Hermann Gelhaus nennt in der Dudengrammatik (1998), Randziffer 327 Anm. 1 nur die Form Pluraliatantum.

Ergebnis: Von zwölf konsultierten Wörterbüchern ist der „Ickler“ das einzige, das den in Rede stehenden sprachlichen Sachverhalt angemessen darstellt. Dies ist dem Dudenverlag in 127 Jahren nicht gelungen.
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